Henry haut ab: Roman (German Edition)
Augenbrauen. »Er ist ganz verrückt nach den scheußlichen Dingern.«
»Aber Sir George hat doch sicher noch ein Ersatzschloss für den Waffenschrank. Der kann doch nicht einfach offen bleiben. Das ist doch verboten, oder? Gewehre …«
»Und wer ist das Gesetz hier in der Gegend? Seine Majestät persönlich, und wenn Sie glauben, er würde die Polizei in sein Arbeitszimmer lassen, um zu kontrollieren, ob seine Waffen sicher weggeschlossen sind, dann haben Sie sich geirrt. Außerdem rufen die ihn sowieso immer als Ersten an, wenn sie einen Haftbefehl oder so etwas brauchen.«
»Wenn das so ist, gehe ich im Moment lieber nicht in die Nähe des Arbeitszimmers! Ich finde Waffen bestenfalls uninteressant.« Wilt machte eine Pause, dann beschloss er, sich weiter vorzuwagen. »Was halten Sie wirklich von Edward?«
»Dumm wie ein Stück Brot. Nein, eher wie ein ganzer Laib. Ehrlich gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass ich so einen Sohn bekommen würde, hätte ich abgetrieben. Und ich bin gegen Abtreibungen, das sagt schon einiges. Glücklicherweise habe ich nur eine Tochter. Sie ist zwar alleinerziehend, aber das ist immer noch besser, als mit irgendeinem selbstzufriedenen idiotischen Scheißkerl verheiratet zu sein, wenn Sie meine Ausdrucksweise verzeihen wollen. Ich meine verstanden zu haben, dass Sie auch Töchter haben?«
»Das können Sie laut sagen«, stimmte Wilt zu und wollte gerade sagen, dass er lieber ein Dutzend alleinerziehende Töchter hätte als die vier Satansbraten, die zu zeugen er das Pech gehabt hatte, als er über ihre Schulter hinweg sah, wie sich das hintere Tor öffnete und der Jaguar hindurchfuhr. »Lady Clarissa ist offensichtlich fertig mit Einkaufen. Ich denke, ich verdünnisiere mich mal.«
Er eilte in die Bibliothek und tat, als suche er nach einem Buch. Durch den Türspalt könnte er alles hören, was im Flur gesagt würde, wenn Lady Clarissa herausfand, wo ihr Sohn war. Er brauchte nicht lange zu warten. Nach einem hastigen Wortwechsel mit Mrs. Bale in der Küche kam sie den Flur heruntergestürmt und betrat das Arbeitszimmer.
»Also wirklich, Edward! Wie oft habe ich Dir schon gesagt, dass du nicht hier reinkommen und mit diesen furchtbaren Gewehren spielen sollst? Wenn George dich hier gefunden hätte, wäre er fuchsteufelswild geworden. Warum musst du nur dauernd solche Geschichten machen?« Lady Clarissa schrie beinahe.
»Weil ich Gewehre mag und er nicht erlaubt, dass ich selbst eins habe.«
»Also, du kannst dieses abscheuliche Ding jetzt sofort in den Schrank zurückstellen. Und hör auf, so damit herumzufuchteln! Es könnte geladen sein.«
»Ich fuchtele nicht damit herum, ich ziele zum Fenster hinaus, und natürlich ist es geladen. Ist doch bekloppt, eine Knarre zu haben, wenn keine Kugel im Lauf ist.«
»Na schön, dann hol die Kugel heraus, und dann raus hier.«
Als die beiden an der Tür der Bibliothek vorbeikamen, fragte sich Wilt, was zur Hölle er jetzt tun sollte. Jetzt war ihm klar, dass der Knall, den er gehört hatte, als er zum Haus zurückgegangen war, beinahe sicher bedeutete, dass Edward auf ihn geschossen hatte. Und er hätte wetten mögen, dass der Junge die Anweisung seiner Mutter, die Waffe zu entladen, nicht befolgt hatte. Wilt gefiel die Vorstellung nicht gerade, den Sommer damit zu verbringen, einen zurückgebliebenen Jungen zu unterrichten, der sich eindeutig mehr dafür interessierte, mit geladenen Gewehren durch Fenster zu zielen. Geschichte war definitiv nicht angesagt – oder zumindest sah es so aus, als müsse er sich ausschließlich auf die Schlachten konzentrieren, um die Aufmerksamkeit des Jungen zu wecken.
Und was war mit Eva und den Mädchen? Um ihre Sicherheit machte er sich keine Sorgen – die konnten sehr gut auf sich selbst aufpassen –, aber die Kombination aus seinen Mädchen und dem waffenverrückten Edward war zu grauenvoll, um auch nur darüber nachzudenken. Er musste Eva anrufen und sie warnen, nicht herzukommen. Andererseits konnte er nicht vom Haus aus telefonieren, da mit Sicherheit jemand mithörte. Es sei denn, Mrs. Bale ließe ihn in Sir Georges privates Badezimmer, und er war sich nicht sicher, ob das das Risiko wert war. Nein, er musste ins Dorf hinuntergehen und von dort aus telefonieren. Er konnte aber auch nicht durch das hintere Tor dieses verfluchten Hauses gehen, weil das von allen beobachtet wurde. Na schön, dann musste er eben diesen schrecklichen Waldweg nehmen, den er im Taxi so erschreckend gefunden
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