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Henry haut ab: Roman (German Edition)

Henry haut ab: Roman (German Edition)

Titel: Henry haut ab: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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fahren, um die Vier abzuholen. Der Brief der Direktorin mit der Warnung, dass die Schulgebühren schon wieder erhöht würden, war an diesem Morgen gekommen. Das hatte sie so sehr beunruhigt, dass sie sogar schon erwogen hatte, in Sandystones Hall anzurufen und zu fragen, ob sie ihren Mann sprechen könne. Am Ende hatte sie sich jedoch dagegen entschieden; er hätte nur gesagt, sie sei selbst schuld daran, weil sie die Mädchen überhaupt erst aus dem Konvent genommen hatte, und dass die fünfzehnhundert Pfund pro Woche, die er verdiente, kaum die Erhöhung für ein Mädchen deckten, geschweig denn von vieren.
    Außerdem lauerte irgendwo im Hintergrund auch noch die Erinnerung daran, wie Lady Clarissa Wilt bei dem Lunch angesehen hatte. Eva hatte dieser Blick ganz und gar nicht gefallen. Es war offensichtlich, dass Ihre Ladyschaft ihn sexuell anziehend gefunden hatte. Wenn das der Fall war, sollten Eva und die Mädchen so bald wie möglich in Sandystones Hall sein. Sie hatte Henry gesagt, dass es kein Techtelmechtel geben würde, als sie mit dem Fahrrad nach Hause gefahren waren, und das hatte sie auch ernst gemeint.
    Nicht dass er besonders scharf auf »Geschlecht« war, oder auch nur auf das Wort selbst. Er fand, es sei eine abscheuliche Verballhornung, und bezeichnete politische Korrektheit beharrlich als »Zerstörung der englischen Sprache«. Dasselbe mit dem Wort »schwul«, das er sich ebenfalls zu gebrauchen weigerte, außer einmal auf einer Party, die er ganz besonders genossen hatte. Kurz gesagt, er war fest entschlossen, altmodisch zu sein und sie zu beschämen. Eva hatte versucht dagegenzuhalten, hatte aber viel zu oft »Sex« statt »Geschlecht« gesagt, wenn sie zu schnell gesprochen und nicht darauf geachtet hatte, was sie sagte. Jedenfalls, er war nicht scharf darauf, ganz gleich, wie man es nannte. Wenn Lady Clarissa versuchte, ihn zu verführen – oder wie auch immer das politisch korrekt hieß –, dann hatte sie jedenfalls ein ordentliches Stück Arbeit vor sich. Wahrscheinlich würde er sofort die Flucht ergreifen.
    Außerdem war da ja immer noch Sir George, auch wenn er Wilt zufolge unter einem anderen Namen geboren sein mochte oder so ähnlich, und der Lady Clarissa zufolge ein sehr jähzorniger Mensch war. Der würde jedem Techtelmechtel schnell ein Ende machen. Und dann verdiente Wilt all das Geld noch zusätzlich zu seinem Gehalt, und für sie und die Vier sprang dabei noch ein Gratis-Urlaub am Meer heraus. Das würde auch Geld sparen. Wesentlich optimistischer gestimmt packte Eva ihre Koffer fertig und trug sie zum Auto hinaus. Dann trank sie noch eine Tasse Tee und machte ein paar Sandwiches für die Fahrt, ehe sie in deutlich besserer Stimmung zur Schule aufbrach. Sie würde sich beeilen müssen, um rechtzeitig in St. Barnaby’s zu sein.
    Während der Fahrt versuchte sie zu entscheiden, wie sie die Direktorin überreden sollte, die Vier auf der Schule bleiben zu lassen. Sie war so sehr mit diesen Überlegungen beschäftigt – und damit, die Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten –, dass sie erst in Hailsham merkte, dass sie sich auf einer vollkommen verkehrten Straße befand und ihr Tank beinahe leer war. An einer Tankstelle hielt sie an, tankte und fragte nach dem Bezahlen den Mann hinter dem Tresen nach dem Weg nach East Whyland.
    »Da haben Sie aber noch einen langen Weg vor sich, wenn Sie in das Dorf wollen. Das ist praktisch in Kent.«
    »Wie weit ist es denn von hier?«
    »Um die fünfundsechzig Kilometer, aber alles auf Nebenstraßen. Es wäre sicherer, wenn Sie nach Heathfield zurückfahren und die A265 in Richtung Burwash nehmen. Da fragen Sie dann weiter.«
    Er wandte sich dem nächsten Kunden zu und murmelte dabei: »Leute, die keinen Orientierungssinn haben, sollten sich gar nicht allein auf die Straße wagen. Oder sie sollten wenigstens genug Grips haben, sich ein Navi zu besorgen.«
    Offensichtlich kannte er Henry nicht; der würde sich lieber an den Sternbildern am Nachthimmel orientieren, als gutes Geld für ein Kästchen voller elektronischer Spielereien hinauszuwerfen, wo es doch ein Straßenatlas genauso gut tat. Nicht dass Eva dergleichen jemals hatte lesen können.
    Sie saß im Auto und studierte die Straßenkarte und kam sich ziemlich dumm vor. East Whyland blieb für sie unsichtbar. Das nächste Problem war, dass sie umdrehen musste, um zurück nach Heathfield zu kommen, und dass ein Stau es ihr unmöglich machte, auf die andere Straßenseite zu gelangen.

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