Henry haut ab: Roman (German Edition)
Eindruck bei Ihnen schinden. Allerdings hat er wirklich eine ganze Menge Feinde.«
»Feinde? Was denn für Feinde?«
»Unschuldige Menschen, die er zu Gefängnisstrafen verurteilt hat. Das tut er recht gern. Außerdem ist er auch ständig auf der Hut vor Wilderern und unbefugten Eindringlingen. In der Tat gibt es eine Menge Leute, die ihn gerne tot sehen würden. Im Ernst, an Ihrer Stelle würde ich nicht nachts im Wald herumwandern, während Sie hier sind. Jemand könnte Sie mit Sir George verwechseln.«
»Ich werde es mir merken.«
Sie verließen das Cottage und gingen durch den Wald, bis sie auf einem staubigen, unbefestigten Fahrweg zu ihrer Rechten Reifenabdrücke eines schweren Fahrzeugs bemerkten. Lady Clarissa legte einen Finger an die Lippen und flüsterte: »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich gehe selbst da hinunter. Nicht weit von hier ist eine Lichtung, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich wette, dort hat er das Flittchen untergebracht.«
Sie zog die Schuhe aus und reichte sie Wilt, der zusah, wie sie leise der Fahrspur folgte. Nach einer Weile setzte er sich unter einen Baum und fragte sich wieder einmal, worauf um Himmels willen er sich hier eingelassen hatte. Sogar die schwierigen Versuche, Edwards Dummheit zu überwinden, waren besser, als in die Affären der Gadsleys hineingezogen zu werden. Und er nahm an, dass »Affären« genau das richtige Wort war.
Zwanzig Minuten später kehrte Lady Clarissa zurück, zog ihre Schuhe wieder an und ging bis zum Haus voran, bevor sie etwas sagte.
»Ganz wie ich mir gedacht habe: Philly ist da unten. Was ich nicht wusste, ist, dass es dort ein Tor in der Parkmauer gibt, das zu den Weiden dahinter führt. So ist sie in den Wald gekommen. Nun ja, irgendwann wird sie wieder rauswollen, also werde ich im Dorf ein starkes Schloss kaufen und dafür sorgen, dass ihr das nicht gelingt. Sie können mitkommen, wenn Sie Lust haben.«
»Lieber nicht. Ich muss noch ein paar Dinge über das Wettrüsten im 20. Jahrhundert nachsehen«, lehnte Wilt ab, der keinen blassen Schimmer hatte, wer Philly war, und es auch gar nicht wissen wollte. Das Einzige, was er wirklich wollte, war, sich aus allem herauszuhalten, was hier vor sich ging. Und nach ihrem letzten Zusammentreffen würde er es ganz sicher vermeiden, sich mit Lady Clarissa allein in geschlossenen Räumen aufzuhalten.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich jetzt zurückgehe? Ich möchte kurz Eva anrufen … ihr sagen, wie sehr ich mich darauf freue, sie wiederzusehen.« Wenn er so etwas zu seiner Frau sagte, würde sie annehmen, dass er unter geistiger Umnachtung litt oder betrunken sei, das war Wilt klar.
»Fühlen Sie sich wie zu Hause.« Lady Clarissa nahm ihre Handtasche und ging zu ihrem Auto.
Wilt sah ihr nach, als sie wegfuhr, bevor er zum Haus zurückging. Auf halbem Weg hörte er einen lauten Knall und einen entsetzlichen Moment lang dachte er, Sir Georges Feinde hätten ihn eingekreist, bevor er zu dem Schluss kam, dass es nur eine Fehlzündung des Jaguars war, der gerade den Weg hinauffuhr. Als er hineinging, trat Mrs. Bale gerade aus Sir Georges Arbeitszimmer.
»Ich will nur kurz meine Frau anrufen und sehen, ob sie schon aus Sussex zurück ist«, erklärte Wilt. »Sie ist runtergefahren, um unsere Töchter abzuholen.«
»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, ich würde dafür sorgen, dass sie so schnell wie möglich herkommt. Ihre Ladyschaft ist in einer merkwürdigen Stimmung. Sie ist … na ja, wenn sie ein Tier wäre, würde ich sagen, sie ist ›rollig‹. Falls Sie wissen, was das bedeutet. Ich kann nicht sagen, dass ich es ihr verdenken kann. Der Boss hat ja selbst was nebenbei laufen.«
»Wirklich? Das ist nicht zufällig jemand Kleines, Dickes, oder?«, fragte Wilt, der Mrs. Bale allmählich recht gern mochte, weil sie beständig Licht ins Dunkel all der Mysterien dieses Haushaltes brachte.
»Keine Namen. ›Wo kein Kläger, da kein Richter‹, wie mein verstorbener Mann immer sagte.«
Sie lächelte Wilt kokett an und ging in die Küche. Er beschloss, Eva später anzurufen, und folgte stattdessen Mrs. Bale.
Sie fing an, Mittagessen zu kochen, und sagte: »Falls Sie Edward suchen, der ist im Arbeitszimmer. Da geht er immer hin, kaum dass Sir George aus dem Haus ist.«
»Was um Himmels willen macht er denn da? Er wird doch wohl kaum die Papiere des alten Herrn durchgehen. Was kann denn da so interessant für ihn sein?«
»Die Gewehre natürlich«, antwortete Mrs. Bale mit hochgezogenen
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