Henry haut ab: Roman (German Edition)
Nach einer halben Stunde des Wartens schaffte sie es schließlich dank eines höflichen Mannes, der sie einscheren ließ. Auch dann steckte sie noch eine weitere Stunde in dem Verkehrschaos fest, und es war bereits sechs Uhr, als sie endlich Heathfield erreichte und rechts auf die A265 abbog.
Als sie in Burwash ankam, wünschte Eva sich allmählich, sie hätte Wilt zugehört, als er versucht hatte, ihr zu zeigen, wie man eine Karte liest. Aber das war vor Jahren gewesen, als sie frisch verheiratet gewesen und natürlich in ihn verliebt gewesen war. »Ich brauche das nicht«, hatte sie gesagt. »Ich kann doch gar nicht Auto fahren, wie soll ich mich da also verirren?« Als sie den Führerschein gemacht hatte, hatte Wilts Verzweiflung schon solche Ausmaße angenommen, dass er ihr eher beigebracht hätte, wie man sich richtig verirrte.
Nun, jetzt hatte sie sich verirrt. Als sie das letzte Mal zur Schule gefahren waren, hatte Wilt am Steuer gesessen, und sie war viel zu beschäftigt damit gewesen, den Mädchen auf der Rückbank zu sagen, dass sie sich nicht zanken sollten, um darauf zu achten, welchen Weg sie nahmen. Sie hielt am Straßenrand und studierte ohne große Hoffnung die Karte, als eine alte Frau aus einem der Häuser in der Nähe trat und auf sie zukam. Eva stieg aus und ging um den Wagen herum. »Können Sie mir vielleicht helfen?«, fragte sie, als die Frau sie erreichte. »Ich suche die St.-Barnaby’s-Mädchenschule und habe mich verfahren. Die Schule ist in East Whyland.«
»East Whyland? Nie gehört. Aber ich wohne auch nicht hier. Ich bin aus Essex. Ich besuche hier nur meine Nichte, und die wohnt auch erst seit einem Monat hier, also hat es keinen Sinn, sie zu fragen. Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht helfen.«
Als sie gegangen war, studierte Eva wieder die Karte und verfluchte den Mann an der Tankstelle in Hailsham. Die einzige Lösung, die ihr einfiel, war, dass es in Heathfield wahrscheinlich ein Hotel gab; es scherte sie nicht, wenn es mehr kostete als eine Frühstückspension. Sie war erschöpft und hatte das Ganze gründlich satt, außerdem hatte sie einen Bärenhunger. Sie würde dort übernachten; vorher würde sie in St. Barnaby’s anrufen, um der Direktorin zu sagen, dass sie eine Reifenpanne gehabt hätte und daher erst morgen kommen könnte. Wenn sie ein hübsches Hotel fände, könnte sie sich ein gutes Abendessen und ein schönes Glas Wein gönnen. Bei dem, was Wilt verdiente, konnte sie sich das sehr gut erlauben.
Am nächsten Morgen, bewaffnet mit peinlich genauen Wegbeschreibungen des Hotelportiers, fand Eva die Schule und verbrachte eine erbitterte halbe Stunde mit der Direktorin, die verlangte, dass sie die Vier augenblicklich von der Schule nahm und sich ernsthaft nach einer Alternative umsah.
»Was haben sie denn getan?«, wollte Eva zornig wissen.
»Was sie getan haben? Also, ich kann ihnen sagen, wenn sie die Mädchen nicht unverzüglich von der Schule nehmen, wird höchstwahrscheinlich eine Sammelklage gegen sie erhoben, wegen mutwilliger Sachbeschädigung an Autos der Lehrkräfte und an Schuleigentum. Ich habe nur deshalb noch nicht die Polizei gerufen, weil ich nicht wollte, dass sie hier verhaftet werden – ich muss schließlich Rücksicht auf den Ruf der Schule nehmen. Ich rate Ihnen lediglich, lieber die Anwaltskosten zu bedenken, wenn einige Mitglieder des Lehrkörpers die vier vor Gericht bringen. Bisher habe ich sie davon abhalten können, aber wenn ihre Töchter die Schule nicht sofort verlassen, überlegen sie es sich vielleicht anders. Dank ihrer Mädchen hat eine meiner besten Lehrerinnen bereits gekündigt. Sie musste ins Krankenhaus, weil ihre Töchter mutwillig an ihrem Auto herumgebastelt haben. Ich hoffe, ich habe Ihnen die Situation hinlänglich klargemacht.«
Eva antwortete, das hätte sie, und verließ das Büro der Direktorin in angemessen niedergedrückter Stimmung. Sie holte die Vier von der Krankenstation ab, wo sie die letzten Tage in Isolation verbracht hatten, und fürchtete sich bereits vor der Rückfahrt.
Am nächsten Tag schien Sir George in etwas leutseligerer Stimmung zu sein. »Also, wo steckt er denn, dein Sohn?«, fragte er seine Frau beim Frühstück.
»Warum willst du das wissen? Er hält sich von dir fern, nehme ich an. Ich bin fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass du nicht viel von Edward zu sehen bekommst. Er wird die meiste Zeit von Henry unterrichtet werden.«
»Von wem? Ach, du meinst Wilt. Ich wäre dankbar, wenn du
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