Hera Lind
gerade auf ihren Teppich gepinkelt.
»Ja«, sagte ich. »Von Aldi.«
Sophie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber ihr fiel offensichtlich nichts ein, also klappte sie ihn wieder zu.
»Caspar hat mir ganz verlegen die Tüte gereicht«, fuhr ich fort. »Ich dachte, ich hätte vergessen, meine Einkäufe wegzuräumen, und habe nachgeschaut, was drin ist. Zum Glück waren die Kinder gerade beim Fernsehen. Wäre ja nicht schön gewesen, wenn die das Zeug gefunden hätten.«
»Dein Caspar wird sich seinen Teil gedacht haben.«
»Ja, der merkt schon, dass es bei uns ganz schön kriselt!«
»Reife Leistung von deinem Jürgen.« Sophie nickte wie der Wackeldackel auf der Hutablage von Opa Walters Opel. »Echt männlich und … sehr erwachsen.«
Ich starrte in mein leeres Glas. »Ähm …hast du noch mehr von dem Zaubertrank?«
»Bedien dich!« Sophie erhob ihre Stimme: »Dein Jürgen ist ECHT KEIN HELD!«
Ich starrte sie beschämt an. »Pssst! Wenn die Kinder das hören!«
»Besser wäre es«, rief Sophie in Richtung Tür. Sie tat so, als wollte sie sich in den Glühweinkessel übergeben. »Ich schäme mich fremd«, sagte sie schließlich und fuhr dann zu mir herum: »Über deinen ›schwulen Sklaven aus Timbuktu‹ tuscheln die feinen Heilewelter Herrschaften und kommen sich als was Besseres vor. Aber vor deinem biederen Sparkassenhengst mit dem Seitenscheitel ziehen sie den Hut!«
Jetzt musste ich hilflos lachen. »Komm, Sophie. Jetzt übertreibst du aber.«
»Nein, das ist wirklich das LETZTE!«, sagte Sophie und sprühte nur so vor Verachtung. »Wenn mein Bodo so was machen würde, hätte er mich zum letzten Mal gesehen! Egal, wie viele Kinder wir miteinander haben! Emotionale Erpressung! Das ist so arm und so durchschaubar!« Sie funkelte mich aus zornesgrünen Augen an: »Liebst du den eigentlich immer noch?«
»Ach, Sophie«, seufzte ich und zog energisch den Reißverschluss meiner Handtasche auf. Ich suchte nach einem Taschentuch, weil mir die Tränen kamen. »Was heißt hier ›immer noch‹? Habe ich ihn je geliebt? Oder habe ich mich nur bemüht, ihn zu lieben?«
»Lass dir doch beim Notar ein Zeugnis ausstellen«, sagte Sophie mitleidig. »Sie hat sich stets bemüht.«
»Ist das nicht alles furchtbar beschissen?«, sagte ich niedergeschlagen.
»Ja. Überleg dir gut, ob du mit diesem Mann wirklich dein Leben verbringen willst.« Sophie nahm meine Hand: »Lotta, du bist viel zu jung und zu schön, um dein Leben in Tretern zu verbringen, die deine Mutter für dich ausgesucht hat. Schlüpf in deine eigenen Schuhe! Und gestatte dir ruhig ein paar schicke hochhackige Pumps. Die stehen dir zu!«
Süßer Vergleich, irgendwie. Die Hoffnung, Christian je wiederzusehen, war ähnlich realistisch wie die, schmerzfrei in tollen High Heels herumzustöckeln. Aussichtslos! Zu mir gehörten solide Treter. »Es ist besser, sich keine Hoffnungen auf Dinge zu machen, die ohnehin unerreichbar sind. Ich gehe besser durchs Leben, wenn ich meine Erwartungen nicht zu hoch schraube. Ich kenne meinen Weg, und der geht immer geradeaus.« Ich stand auf und schnäuzte mich geräuschvoll. Es hatte keinen Sinn, hier in Selbstmitleid zu verfallen. Nebenan hörte ich die Kinder mit Caspar fröhlich singen. Er brachte ihnen Kinderlieder auf Afrikaans bei. »Goeie morgen mijn vrouw, goeie morgen mijn man, daar is koffie in die kan!« Ach, am liebsten würde ich mit ihnen allen bei Sophie einziehen. Hier war es so warm und gemütlich. Es zog mich nichts mehr in den Borkenkäferweg. Ich fror, wenn ich an zu Hause dachte. Wer weiß, welche »Sicherheitsmaßnahmen« Jürgen inzwischen schon wieder ergriffen hatte? Oder welche »Warnschüsse« er abgefeuert hatte, so wie den mit der Plastiktüte.
Sophie hob den Kopf, sah mich an und sagte laut und deutlich: »Gut, dass du ihn nicht geheiratet hast. Es wäre der größte Fehler deines Lebens gewesen.«
»Irgendein Instinkt hat mich davor bewahrt«, murmelte ich und versank dankbar in meinem Glas. Dass ich ihr das anvertraut hatte!
»Aber Christian? Den hättest du geheiratet?«
Mein Herz fing plötzlich an zu klopfen. Christian war so locker und selbstbewusst und unverkrampft und humorvoll und … männlich! Solche Männer gab es auch? Die Gedanken sind frei! Ich sah mich verstohlen um, ob auch keines der Kinder mithörte. »Sofort!«, entfuhr es mir. »Wenn er mir unter anderen Umständen begegnet wäre, hätte ich ihn mir geschnappt und nie mehr losgelassen.«
»Süß«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher