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Hera Lind

Hera Lind

Titel: Hera Lind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Männer sind wie Schuhe
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ein sehr guter Menschenkenner«, redete Wolfgang Kobalik weiter, wobei er allerdings den Anwalt und nicht mich ansah. »Unsere Anita hat immer alles geduldet und ertragen, sich perfekt um die Kinder gekümmert. Ihre eigenen Interessen hat sie janz verjessen …Und jetzt, wo ihre Schönheit fast verblüht ist …«
    Bitte? Was faselte er denn da? Wie in Trance sah ich in den Spiegel. Ich war doch noch schön! Na gut, ich sah verheult und übernächtigt aus und hatte Ringe unter den Augen – also ehrlich gesagt, ich sah genauso beschissen aus, wie ich mich fühlte.
    »Also, wenn wir noch heute die Scheidung beim Amtsgericht einreichen, gilt noch das alte, für Sie günstigere Scheidungsrecht. Das ginge …«, der Anwalt sah auf seine Rolex, »bis zwölf Uhr mittags per Blitzantrag.«
    »Det machste!«, zischte Ursula. »Wärst du ja schön blöd, wenn du det nicht mitnimmst.«
    »Außerdem sollten wir noch heute beantragen, dass Ihr Exmann sich dem Haus auf hundert Meter nicht mehr nähern darf. Wegen Gefahr der Gewalttätigkeit.« Er klickte ohrenbetäubend mit dem Kugelschreiber.
    Wolfgang Kobalik nickte missbilligend, so als hätte er schon oft erlebt, wie ich hier von meinem gewalttätigen Mann misshandelt worden war.
    »Aber er ist doch gar nicht gewalttätig!«, flüsterte ich.
    »Also, ick happn Foto von dir, da haste ’n blauet Auge drauf«, sagte Wolfgang Kobalik mit einem Unterton, den man sonst bei Gangstern im Fernsehen hört.
    »Prima, das legen wir dem Antrag bei«, sagte der Anwalt erfreut.
    Ich wandte den Blick ab und überlegte fieberhaft, was das für ein Foto sein konnte. Meinten sie etwa … Schlagartig fiel mir die Karnevalsparty letztes Jahr ein, bei der ich als Piratenbraut gegangen war. Da hatte ich mir allerdings ein dickes Veilchen um das Auge gemalt. Ich merkte, wie mein ganzes Gesicht zu brennen begann.
    Wolfgang hatte das Foto tatsächlich schon angeklickt und zeigte es dem Anwalt. »Is det ’n Veilchen? Wa?!«
    »Das drucken Sie mir aus, aber vorher retuschieren Sie noch den Hintergrund«, sagte der Anwalt abgebrüht.
    »Klar!«, erwiderte Wolfgang Kobalik und steckte sein Smart phone gespielt beiläufig wieder in die Hosentasche. »Kein Problem.«
    Verwirrt starrte ich ihn an.
    »Gut wäre natürlich, wenn Sie als Zeugen vor Gericht auftreten«, fuhr Steiner fort. »Und den Vorwurf der Gewalttätigkeit untermauern.«
    »Det machen wa doch gerne. Wa, Uschi!« Wolfgang rieb sich erfreut die Hände.
    »Haben Sie vielleicht mal Schreie gehört oder so was?«
    »Ja. Auf jeden Fall. Aber dann stellt der Mann immer die Musik laut.«
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf und hielt den Atem an. Bitte? Was? »Aber das stimmt doch gar nicht …« Ich wirbelte herum und starrte ihn an.
    Wolfgang Kobalik verdrehte genervt die Augen, so als wollte er sagen: Die kapiert aber auch gar nichts!
    »Na ja, wir sind ja ständig hier und kümmern uns um das arme Mädchen«, sagte Ursula Kobalik und legte ihren Arm um meine Schulter. »Sie ist ja so tapfer! Hier!« Einer plötzlichen Eingebung folgend hob sie triumphierend meinen Arm und zeigte dem Anwalt einen blauen Fleck am Unterarm, den ich mir beim Aufräumen des Küchenschranks zugezogen hatte. Die Schranktür war zugefallen und hatte mir den Arm eingeklemmt. Uschi Kobalik hatte noch ein paar Eiswürfel daraufgedrückt, bevor sie den Rest in ihren Weißwein hatte plumpsen lassen.
    »Mit einem stumpfen Gegenstand hat er sie geschlagen!«, empörte sie sich mit einem Gesichtsausdruck, als glaubte sie wirklich an ihre Version der Geschichte.
    Ich starrte sie fassungslos an. »Aber das war ich doch selbst!«, flüsterte ich matt. »Ein Haushaltsunfall!«
    »Det sagen se alle!«, brummte Kobalik mit Grabesstimme und winkte ab. »Alle sind se die Treppe runtergefallen und haben sich gestoßen.«
    Ursula seufzte theatralisch und zog mich an sich. Ich versteifte mich unwillkürlich. Sie log zwar in meinem Interesse, aber das ging mir doch gegen den Strich.
    »Das typische Opfersyndrom«, sagte der Anwalt nickend und hämmerte wieder in die Tasten. »Da hilft nur eines: eine sofortige Anzeige.«
    Ich fasste mir mit den Händen an den Kopf. »Er hat mich nicht geschlagen«, flüsterte ich verzweifelt.
    »Auf jeden Fall schlägt er dich mit Worten«, sagte Ursula Kobalik. »Mit Abwesenheit. Und mit Untreue. Jahrelang. Det sind seelische Verletzungen, die noch viel tiefer gehen.«
    Ich konnte kaum glauben, dass sich Tatsachen tatsächlich so sehr verdrehen

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