Hera Lind
Arbeit geleistet!« Wolfgang Kobalik zeigte dem Anwalt Ralf Steiner stolz das neue Schloss, so als hätte er es selbst installiert. »Das ist ein Sicherheitsschloss, samt Zahlencode. Den kennen nur wir und die Anita. Da kommt keiner rein, der nicht rein soll.«
»Dann wäre das schon mal erledigt.«
Die Kobaliks baten Ralf Steiner hinein, als wäre es ihr Haus und nicht meines. Ich folgte ihnen mechanisch.
Ralf Steiner ließ sich auf mein schwarzes Ledersofa fallen und klappte seinen Laptop auf. »So, Frau Meran. Und jetzt erzählen Sie mir mal, wie hoch das Einkommen Ihres Mannes ist.«
»Ähm, ich weiß es gar nicht so genau …«
»Aber ICK weiß es!« Wolfgang Kobalik stieß Zigarrenrauch aus und zeigte mit dem angelutschten Stummel auf den Laptop: »Det können Se janz leicht nachgoogeln. Ick bin im Vorstand der Freunde und Förderer, und ick kann Ihnen auf den Cent jenau sagen, wat so ’n Wiener Philharmoniker verdient.« Er kratzte sich am Kopf und zählte dann auf: »Festanstellung seit zwanzig Jahren, dazu Solo-Extragehalt, dann die janzen Honorare in fünfstelliger Höhe, die er freiberuflich so abzockt, dazu det saftige Honorar für die Meisterkurse … Also, ick seh da schon ne sehr sechsstellige Summe im Jahr.«
Herr Steiner nickte desinteressiert und gab Zahlen in seinen Laptop ein. »Davon steht der Ehefrau mindestens die Hälfte zu. Hinzu kommt natürlich der Unterhalt für die Töchter. Wie alt sind die?«
»Fürzn und sechzn«, kam mir Ursula zuvor. Sie schwenkte ein Whiskeyglas und drückte mir auch eines in die Hand: »Nimma, det beruhigt.«
»Aha. Dann sind die ja noch minderjährig und in der Aus bildung. Was glauben Sie, wie lange werden die noch studieren, so Pi mal Daumen?« Er schaute mich fragend an.
Meine Kehle schnürte sich zusammen. Ich wollte dieses Gespräch nicht führen! Ich machte den Mund auf, um zu antworten, aber Ursula Kobalik quakte: »Na jehmse den Mädels ma jede zehn Jahre, wa. Heutzutage is det ooch nich mehr so einfach mit de Studienplätze. Unsere Rosie …«
»Dann fordern wir einen Unterhalt für die Mädchen bis zum achtundzwanzigsten Lebensjahr.« Ralf Steiner gab bereits etwas in ein Formular ein. »Außerdem muss er ihnen den gewohnten Lebensstandard erhalten.«
»Ja, det auf jeden Fall, also der Golfclub und det Pferd müssen schon noch drinne sein, wa.« Ursula Kobalik tätschelte beruhigend meine Schulter und hätte dabei fast ihre Zigarettenasche in meinen Ausschnitt fallen lassen. »Jetzt, wo der Vater weg ist, brauchen se nen festen Halt. Nicht, dass sie unter die Räder kommen.«
»Na ja, Vater«, brummte Wolfgang Kobalik tadelnd. »Erzeuger trifftet wohl besser. So viel, wie der weg war und sich in der Weltgeschichte rumgetrieben hat!«
Ich konnte meine Finger gar nicht mehr ruhig halten vor lauter Nervosität. Ich musste es jetzt sagen. Jetzt war der richtige Moment. »Aber warum soll ich mich eigentlich scheiden lassen?«, wagte ich dazwischenzufragen.
Der Anwalt starrte mich verständnislos an. Ich suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Ich wollte niemandem zu nahe treten, so wie sich alle für mich einsetzten, aber … »Ich bin doch noch nicht bereit zu so einem Schritt! Wir sind sowieso oft monatelang getrennt«, versuchte ich dem Anwalt zu erklären, »und führen so eine Art offene Ehe …« Ich verschränkte die Arme.
Wolfgang Kobalik starrte mich einen Moment lang fassungslos an, dann schloss er kurz die Augen und schüttelte den Kopf.
Ursulas Blick glitt völlig perplex an mir herauf und wieder herunter.
»Det Medchen ist total am Ende«, erklärte Wolfgang Kobalik dem Anwalt, der zum ersten Mal fragend von seinem Laptop aufblickte.
»Ja WOLLEN Sie sich jetzt scheiden lassen oder nicht?!«
Nein. Ich will nur hier sitzen. Verschieben wir es doch auf morgen!
»Menschenskind, er hat dich BETROOOGN!«, schrie Ursula Kobalik. »Und nicht nur das eine Mal!« Ihre Augen hatten sich verengt, als würde sie ihre großherzige Nachbarschaftshilfe schon bereuen.
»Aber …« Ich schluckte nervös. Meine Finger zitterten, als ich verlegen mit meinem Diamantring spielte. »Ich dachte, das ist erst mal so ein unverbindliches Vorgespräch?« Vielleicht erreichte ich mit der Blond-hübsch-naiv-Masche etwas bei dem Mann? Oder war ich schon unsichtbar?
»Ich muss Sie darauf hinweisen, dass wir hier gerade die Scheidung einreichen, und zwar mit allen Konsequenzen«, blaffte der Anwalt. »So. Und was sind die Uhren hier wert? Die Bilder?
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