Herbert, James - Die Brut.pdf
nur wenige. Sie sehen das Tor und meinen, der Weg wäre für Fremde gesperrt.«
Er eilte zu einem der Häuser hinüber. Von der gelb-grauen Fassade blätterte die Farbe ab. »Gehen Sie ruhig schon vor.« Denison drehte sich zu Pender um. »Ich komme dann später nach.«
Pender wanderte gemächlich die lange, schnurgerade Straße hinauf und musterte eingehend Bäume und Unterholz zu beiden Seiten. Nach wenigen Metern fühlte er sich beklemmend einsam und drehte sich mehrmals nach dem Waldhüter um. Es war die gleiche Empfindung wie am Tag zuvor, bei der Suche nach den Tieren, die Jenny angeblich gesehen hatte - das Gefühl, beobachtet zu werden. Er lächelte über seine seltsame Furcht. Es war die Abgeschiedenheit, die alles überbetonte, die Stille des Waldes mit seinem Blätterdach, unter dem sich so viel tierisches Leben verbarg. Pender war in der Stadt aufgewachsen, wo Leben, Bewegung war, unter Menschen. Hier schien nur der Wind den Dingen etwas Leben einzuhauchen.
Rechts von ihm im Gebüsch raschelte es. Er blieb wie angewurzelt stehen und duckte sich verteidigungsbereit, als wenige Yards vor ihm ein Tier aus dem Unterholz brach.
Grinsend richtete sich der Rattenfänger wieder auf und schüttelte den Kopf, während der Fasan über den schlammigen Weg hüpfte und zwischen den Bäumen auf der anderen Seite verschwand. Der Rattenfänger schob seine zitternden Hände in die Taschen seines grünen Parkas und setzte den Weg fort.
Jesus, langsam drehe ich auch schon durch, dachte er.
Lag nun eine unheimliche Spannung in der Luft, oder war das Einbildung? Vielleicht reagierte er nur überempfindlich auf Jennys Behauptungen. Und doch - der Rattenkot und die durchgenagte Schuppentür im Center ließen sich damit nicht wegdiskutieren, ebenso wenig die abgeschlachteten Hermeline. Wenn es keine Ratten waren, die das angerichtet hatten, mussten es jedenfalls ziemlich angriffslustige Tiere gewesen sein, vor denen man besser auf der Hut war. Andererseits hatten die befragten Bauern nichts sonderlich Beunruhigendes berichten können.
Wenn die Schwarze Ratte sich wirklich in dieser Region breitmachte, hätte man dann nicht schon längst auf sie stoßen müssen? Es sei denn, sie wäre in der Zwischenzeit listiger geworden. Pender erschauerte bei diesem Gedanken.
Auf der rechten Seite traten die Bäume zurück, wurden durch saftige Felder ersetzt, die sich schließlich bis zum Horizont dehnten. Das Land fiel sanft von der Straße ab.
Mitten im nächsten Feld erhob sich ein Baumdickicht, etwa hundert Yards im Durchmesser. Pender fühlte sich bei seinem Anblick unbehaglich, wusste aber dafür keinen Grund. Er kam zu einem niedrigen Gatter und stützte sich mit den Ellbogen darauf. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die Landschaft. Hinter dem Gatter stieg der Boden an, und auf der Hügelkuppe entdeckte der Rattenfänger ein großes Herrenhaus. Wahrscheinlich war das Seymour Hall, doch aus dieser Entfernung konnte man nicht erkennen, dass nur noch die Außenmauern des Gebäudes standen. Er zählte sechs eckige Schornsteine, die sich scharf gegen den Himmel abzeichneten. Das Haus selbst war dreistöckig gewesen. Nur die glaslosen schwarzverfärbten Fensterhöhlen ließen die Zerstörung im Innern erahnen.
Doch der eigentliche Grund für Penders Verwunderung war das Land zwischen dem Gatter und dem riesigen Gemäuer.
Der Weg zu der Ruine war aus Sand und Erde aufgeschüttet, das Feld, durch den er führte, völlig kahl. Der dunkle Boden wies viele Löcher auf - er war völlig aufgewühlt, als wäre jedes wertvolle Saatkorn herausgepickt worden. Das Feld bot einen hässlichen Anblick inmitten all der üppig gedeihenden Natur ringsum, und Pender fragte sich, wer oder was eine solche Zerstörung verursacht haben könnte. Seine Augen schlossen sich zu schmalen Schlitzen.
Dicht beim Haus hatte er eine Bewegung bemerkt - irgendein Tier von rosiger Farbe, aufgedunsen.
Seine Hände krampften sich um das Querholz des Gatters, und er hielt unwillkürlich den Atem an. Die Entfernung war zu groß, um die Körperform genauer zu erkennen. Das Tier bewegte sich langsam aus einem nahen Gebüsch auf das Haus zu. Auch seine genaue Größe war über diese Distanz schwer auszumachen.
Beim Brummen des Landrovers drehte Pender sich um.
Denison bemerkte sofort den seltsamen Ausdruck im Gesicht des Rattenfängers, als er bremste. »Was ist los?«
fragte er mit drängender Stimme und sprang aus dem Wagen.
»Ich habe da oben etwas gesehen,
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