Herbert, James - Die Brut.pdf
zwei oder drei Tagen ausführen sollte.
Jenny bemerkte seine Verschlossenheit und verspürte selbst wenig Lust, über Triviales zu reden. Sie trank ihren Wein und fuhr nachdenklich mit dem Finger über den Rand des Glases. »Luke«, brach sie schließlich das Schweigen. »Ich möchte heute Abend nicht mehr ins Center zurück.«
Erstaunt sah er sie an. »Dort bist du völlig sicher, Jenny.
Das ganze Gelände liegt unter Flutlicht und wird von der Armee abgeriegelt. Es besteht keinerlei Gefahr.«
»Das ist es nicht, Luke. Ich habe Angst, ja, aber ich weiß auch, dass ich dort sicher bin. Ich habe in den letzten Nächten nicht sonderlich gut geschlafen, nachdem ich erfahren hatte, dass der Wald verseucht ist. Er wird für mich nie mehr so sein wie vorher.«
»Es ist vorbei, Jenny. Sie sind weg.«
»Wirklich? Können wir dessen gewiss sein?«
»In ein paar Wochen - ja. Sobald der Wald durchkämmt worden ist. Und das dauert so lange. Danach kannst du unbesorgt wieder deiner Arbeit nachgehen.«
»Das glaube ich nicht. Der Wald hatte für mich immer etwas Unschuldiges, Reines, in das ich mich flüchten konnte. Das ist jetzt anders, er ist besudelt.«
Er seufzte. »Es tut mir leid, dass dir die Freude an deiner Arbeit genommen wurde.«
Sie hob den Blick von ihrem Glas und schaute ihm offen in die Augen. »Ich möchte diese Nacht bei dir bleiben, Luke.«
Ein seltsames Gefühl durchströmte ihn, keine triumphierende Erwartung, sondern tiefe Wärme und Zuneigung. Er war im Innersten berührt. »Jenny, ich...«
»Bitte, Luke.«
Er nahm ihre Hand. »Du musst mich nicht darum bitten, Jenny. Ich sollte vor Vorfreude einen Veitstanz aufführen, aber...«
»...das tust du nicht. Das weiß ich, Luke. Ich kenne deine Gefühle für mich.« Sie senkte ihren Blick wieder auf das Glas. »Zumindest glaube ich das.«
Er drückte ihre Hand und lächelte. »Meine Gefühle sind im Moment ein wenig durcheinander, Jenny. Mir gehen so viele Dinge im Kopf herum, und ich muss gestehen, dass meine Nerven ziemlich strapaziert sind. Aber eins steht fest: Ich lasse dich heute Abend auf keinen Fall mehr weg.«
Sie sah auf und erwiderte sein Lächeln. Seine Niedergeschlagenheit verflog schlagartig, und er meinte, in ihren Augen zu versinken. Ihre Hand in seiner bebte, und er wusste, dass auch sie diese seltsame Gefühlsverwirrung durchmachte.
»Und Vic Whittaker, Jenny?« Zu dieser Frage musste er sich fast zwingen.
Ihr Gesicht wurde ernst, ein Hauch von Traurigkeit schimmerte in ihrem Blick. »Es hat nie etwas zwischen uns gegeben. Bitte, glaub mir das. Wir verstehen uns gut, empfinden auch eine gewisse Sympathie füreinander -
aber mehr steckt nicht dahinter. Wenn Vic anderer Meinung ist, täuscht er sich.«
»Und wir? Ist es bei uns auch nur gegenseitiges Verständnis?«
»Nein, wir wissen beide, dass es mehr ist. Doch wie viel mehr - das müssen wir herausfinden.«
»Schön, versuchen wir besser nicht, es zu analysieren.
Sehen wir einfach, was geschehen ist.«
Jetzt umfasste sie seine Hand fester. »Nur noch eines, Luke. Keine Spielerei. Ich mag keine Spielchen.«
»Jenny«, antwortete er, und es war so schön, ihren Namen auszusprechen. »Ich könnte es nicht ernster meinen.«
Sie verließen den Speisesaal, und Pender fühlte, wie seine Erschöpfung von ihm abfiel. Sie stiegen die Treppen empor, und er führte sie in sein Zimmer. Zum Glück bezahlte Ratkill ihm immer ein Doppelzimmer, wenn er auf Dienstreise war.
Jenny ließ ihre Schultertasche zu Boden gleiten und blieb mitten im Zimmer stehen, wartete darauf, dass er die Tür schloss und das Licht einschaltete. Dann lag sie in seinen Armen, schaute zu ihm auf und erforschte sein Gesicht, als sähe sie es zum ersten Mal. Er berührte ihre Lippen mit seinen, langsam, fast scheu. Beide empfanden gleichermaßen die Bedeutung dieses Augenblicks. Der Kuss begann sanft und leicht, wurde aber leidenschaftlicher und fordernder. Sie suchten sich und verloren sich, fanden sich und ließen sich nicht mehr los. Und all dies in einem einzigen Kuss.
Pender fürchtete sich plötzlich, nie hatte er sich so verwundbar gefühlt. Ihm wurde auf einmal bewusst, wie hart er sie an sich presste, und der Schmerz in seinem verletzten Rücken verriet ihm, dass auch sie ihn mit aller Kraft umklammerte. Sie bemerkte das plötzliche Nachgeben seiner Muskeln und fühlte instinktiv, dass sie ihm wehtat.
»Entschuldige, Luke«, sagte sie leise und lockerte ihre Umarmung.
Doch er lächelte sie nur an,
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