Herbert, James - Die Brut.pdf
Ich möchte Sie bitten, ihm nicht zu sagen, dass ich...«
»Nein, natürlich nicht. Aber jetzt weiß ich wenigstens, warum er einen solch schrecklichen Beruf hat. Entschuldigen sie, ich wollte Sie nicht...«
»Das macht nichts«, meinte Lehmann lachend. »Sie haben ja völlig recht - es ist eine gottverdammte Arbeit.
Doch zum Glück fühlen sich einige Menschen dazu berufen, sie zu erledigen. Aber ich muss mich jetzt wieder um den Einsatz der Pumpen kümmern. Alle Maschinen sollen zum selben Zeitpunkt anlaufen, damit die Monster nirgendwohin ausweichen können.« Lehmann schenkte der Lehrerin ein freundliches Lächeln. »Machen Sie sich um Luke keine Sorgen, Jenny. Diese Sache hier kann nur gut für ihn sein. Sie wird ihm helfen, einen Teil des Hasses abzubauen, der sich im Lauf der Jahre in ihm angestaut hat. Über eines müssen Sie sich im Klaren sein: Luke wird nicht eher Ruhe geben, bis die letzte dieser Bestien ausgerottet ist.«
Sie pumpten das Cyanid in die Unterwelt und beteten. Es gab zwar keinen Grund, wieso die tödlichen Schwaden die Rattenpest nicht gänzlich auslöschen sollten, denn sie saßen in der Falle, waren gefangen in ihrem eigenen Grab.
Und doch fühlte sich niemand wohl in seiner Haut, und alle hatten das Gefühl, nicht bloß gegen Tiere, sondern gegen etwas Unbekanntes, ihrer Welt Fremdes anzukämpfen. Sie lauschten über Kopfhörer den Geräuschen, die von tief in die Erde versenkten Mikrophonen aus dem entferntesten Winkel an die Oberfläche transportiert wurden, hörten die Todesschreie der sterbenden Kreaturen, ihre panischen Befreiungsversuche, ihr wahnsinniges Kratzen an den Steinwänden, ihr gequältes Quieken, wenn sie über den Rücken ihrer Artgenossen kletterten, um dem tückischen Gas zu entkommen.
Einige wenige schafften es, durch ein paar unentdeckte Ausgänge in der Nähe der Stelle, wo Penders Trupp angegriffen worden war, ans Tageslicht zu krabbeln, doch dort warteten die Soldaten auf sie. Die ersten Tiere verbrannten im Strahl der Flammenwerfer zu Asche, den folgenden versengte die tödliche Hitze die Lungen. Ihre Kadaver blockierten die engen Schlupflöcher ebenso wirkungsvoll wie der Zement. Die Tiere hinter ihnen versuchten sich zwar einen Weg durch ihre toten Artgenossen zu fressen, doch wurden sie von den lautlosen Todesschwaden eingeholt und starben unter schmerzhaften Krämpfen.
Die Männer draußen sahen nichts von dem Massaker, das sich unter ihnen abspielte, doch sie fühlten den Hauch des Todes in der Luft, konnten sich den verzweifelten Kampf in den schwarzen Katakomben ausmalen. Selbst der Wald schien aus Respekt vor dem Tod in Schweigen zu versinken.
In den Gesichtern der Männer an den Empfängern wechselten Abscheu und Mitleid. Die Schreie in den Kopfhörern klangen wie die Entsetzensschreie von Hunderten und Aberhunderten von Kindern, die nach und nach zu schwachem Stöhnen verebbten. Es dauerte nicht lange, bis die tödlichen Dämpfe jeden Winkel der Kanalisation durchdrungen hatten.
Langsam streiften die Männer an den Empfängern die Kopfhörer ab. Sie empfanden keinen Triumph, allenfalls Erleichterung, weil die Gefahr nun gebannt war. Sie schauten zu den Kameraden hoch, die sie schweigend umstanden, und nickten.
Die Ratten waren vernichtet.
16. Kapitel
»Luke, du kommst wie gerufen. Komm bitte gleich in das Büro des Wartes. Wir möchten etwas mit dir bereden.«
Pender schob erschöpft den Helm auf den Empfangs-tisch und schenkte Stephen Howard, der breit lächelnd vor ihm stand, einen schiefen Blick. »Ich würde lieber erst ins Hotel gehen und ein langes, heißes Bad nehmen, wenn es dir nichts ausmacht. Können wir uns nicht später treffen?«
»Das geht leider nicht. Ich verspreche dir, es wird nicht lange dauern.«
Der Forschungsdirektor machte auf dem Absatz kehrt und schlenderte, immer noch stillvergnügt lächelnd, durch den Gang zu Alex Miltons Büro. Pender folgte ihm mit schmerzenden Gliedern. Die Prellungen vom Morgen machten sich immer stärker bemerkbar.
In dem kleinen Zimmer wurden sie von Mike Lehmann und Anthony Thornton erwartet. Der Forschungsdirektor steuerte zielsicher auf ein kleines Sideboard mit mehreren Getränken zu. »Der Wart hat diese Erfrischungen aus seinem Privatvorrat gestiftet.« Howards ständiges Grinsen begann Pender zu irritieren. »Wie immer - Scotch ohne Eis, ohne Wasser?«
Pender nickte und sank auf einen Stuhl mit senkrechter Rückenlehne vor dem einzigen Fenster des Büros. Müde zog er die
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