Herbst - Ausklang (German Edition)
daran, wie beschissen alles immer noch ist«, antwortete er mit zittriger Stimme. »Und wie wenig davon ich verstehen kann. Ich frage mich, warum ich mit euch in einer verfluchten Burg festsitze. Letztes Jahr um diese Zeit war ich zu Hause bei Harj und den Kindern und ...«
Die Stimme versagte ihm den Dienst, bevor er den Satz beenden konnte, doch es spielte keine Rolle. Den springenden Punkt hatte er bereits zum Ausdruck gebracht. An diesem Abend hier zu sein, fühlte sich für Jas nach einem wertlosen Sieg an. Der Gedanke, dass sein Leben vielleicht nie besser als im Augenblick werden würde, deprimierte ihn. Es schmerzte nach wie vor zu sehr, genauer über die Zeit vor der Apokalypse nachzudenken, aber mittlerweile fühlten sich seltsamerweise Gedanken an die jüngere Vergangenheit genauso qualvoll an. An diesem Abend hier zu stehen, erinnerte ihn an die endlosen Stunden auf dem Balkon der Wohnanlage, wo er Bier getrunken, die Scharen der Toten betrachtet und mit Hollis, Stokes und den anderen über die Unbilden und Machbarkeit des täglichen Überlebens diskutiert hatte. Damals hatte er sich wie der König der Welt gefühlt, als hätten er und der Rest der Überlebenden die nahezu völlige Kontrolle über alles. Gott, was hatten sich die Dinge doch geändert. Die Wohnanlage war ebenso verloren wie das Hotel, und Stokes, Webb sowie etliche der anderen waren tot. Hollis glich nur noch einem Abklatsch von einem Mann. Und was die Kadaver anging – nun, die verdammten Kreaturen schienen, um jeden Preis weiterkämpfen zu wollen. Ihr verwesendes Fleisch mochte schwach sein, aber ihre Absichten kamen immer noch deutlich zur Geltung.
»Mir ist gerade durch den Kopf gegangen«, sagte er, »dass es sich anfühlt, als wären wir an der Stelle schon mal gewesen.«
»Also, ich bin noch nie hier gewesen«, erwiderte Hollis, der ihn falsch verstand.
Jas ignorierte ihn und fuhr fort. »Schaut mal da runter«, forderte er die anderen auf und deutete über die Burgmauer. »Was seht ihr da? Ich werd’s euch sagen – eine verdammt riesige Masse von Leichen. Derselbe Anblick, den wir jeden verschissenen Morgen durch die Hotelfenster gesehen haben. Derselbe, den wir damals in der Wohnanlage gesehen haben.«
»Aber hier ist es anders.« Lorna seufzte. »Verstehst du das denn nicht? Sieh dir mal an, in welcher Verfassung die sind, Jas.«
»Sieh dir mal unsere Verfassung an«, konterte er. »Um Himmels willen, von uns ist kaum noch jemand übrig. Die meisten von uns sind tot. Gordon, Ginnie, Martin, Webb, Ellie, Anita, Stokes ... alle tot.«
»Aber wir sind noch hier«, entgegnete Lorna. »Wir haben überlebt.«
»Bisher, ja.«
»Genau wie all die anderen Leute, die Driver hier gefunden hat.«
»Was denn, alle 15? Von einer Bevölkerung von rund 60 Millionen Menschen sind nur noch knapp über 20 von uns übrig?«
»Das wissen wir doch nicht. Über das Land verteilt könnten es Hunderte sein.«
» Hunderte . Das ändert nichts daran, dass Millionen gestorben sind.«
»Aber dieser Ort hier ist unglaublich«, fand Harte. »Hier ist es sicher und geschützt. Die haben hier eine ordentliche Menge an Vorräten, und ...«
»Erspar mir den Quatsch«, fiel ihm Jas ins Wort.
»Das ist kein Quatsch.«
»Ist es doch! Das haben wir doch alles schon gehört, immer und immer wieder. Erinnerst du dich noch an die frühen Tage in den Wohnungen? Da bist du auch stolz wie ein Pfau rumgelaufen und hast mir erklärt, wie perfekt alles sei, wie wir diese Barriere bauen würden, um die Leichen fernzuhalten, und wie wir die Anlage herrichten würden, um sie bewohnbar zu machen ...«
»Und genau das haben wir getan«, sagte Lorna dazwischen.
»Bis zu einem gewissen Punkt«, fuhr Jas fort. »Aber ich hab daran geglaubt. Wir alle haben daran geglaubt. Und als wir in das verfickte Hotel gekommen sind, ging dasselbe von vorne los. Wisst ihr noch, die ersten Tage dort? Wir sind rumgelaufen und haben Fußball gespielt, haben uns die Fitnessausrüstung angesehen, davon geredet, den Swimmingpool zu leeren und so weiter ...«
»Ich weiß, worauf du hinauswillst, Jas, aber nichts, was dort passiert ist, hatte etwas damit zu tun, was wir ...«
»Was passiert ist, war unvermeidlich«, brüllte Jas. Die blanken Emotionen, die plötzlich in seiner Stimme mitschwangen, überraschten alle. Er ergriff wieder die Flasche und stürzte weiteren Branntwein die Kehle hinunter. Lorna fragte sich, ob nur der Alkohol aus ihm sprach.
»Hier ist es anders«, sagte
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