Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst - Ausklang (German Edition)

Herbst - Ausklang (German Edition)

Titel: Herbst - Ausklang (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
Vom Netzwerk:
sie und ging das Risiko ein, ihn noch weiter zu reizen. Er starrte sie finster an, aber als er sie nicht sofort anbrüllte, fuhr sie fort. »Hier ist es anders, und die Kadaver sind inzwischen viel schwächer. In ein paar Monaten werden nur noch Knochen von ihnen übrig sein.«
    »In ein paar Monaten? Ich weiß nicht, ob ich noch ein paar Monate so aushalte. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch einen solchen Tag durchstehe.«
    Jas trank den Rest der Flasche leer und schleuderte sie über die Zinnen. Es dauerte einige Sekunden, bis sie den Aufprall unten hörten.
    Lorna, Harte und Hollis beobachteten ihn misstrauisch. Lorna schien die Kälte plötzlich deutlicher zu spüren und wollte hinuntergehen. Sie stand auf und half Hollis auf die Beine. Als sie gerade die Wendeltreppe hinab verschwinden wollte, drehte sich Jas um und wandte sich noch einmal an sie.
    »Du hast recht, Lorna«, sagte er. »Hier ist es anders, und für uns wird hier alles gut. Und ich sage dir auch, warum – weil ich nichts anderes mehr dulde. Ich lasse mich von dir, Jackson oder sonst irgendeinem Pisser nicht mehr in die Ecke drängen. Ich überlasse niemandem mehr die Kontrolle über das, was von meinem Leben noch übrig ist, verstanden?«

87 Tage seit der Infektion

13
    Innerhalb der Burgmauern hielt sich mittlerweile eine Gemeinschaft von 21 Personen auf: 15 Männer und sechs Frauen. Jackson, der seine Position als ungewählter Anführer deshalb behielt, weil sich niemand beschwerte und niemand sonst die Rolle zu wollen schien, bemühte sich tunlichst, alle zu beschäftigen. Langeweile war ein Feindbild – sie gab den Menschen die unerwünschte Möglichkeit, darüber nachzudenken, wie viel sie verloren hatten und wie wenig ihnen geblieben war. Ob es darum ging, die Leute zu beschäftigen, sie abzulenken oder aus Ärger herauszuhalten – die Gründe spielten keine Rolle. Die meisten übernahmen die ihnen zugedachten Pflichten bereitwillig und erfüllten sie nach bestem Wissen und Gewissen ungeachtet der offensichtlichen Tatsache, dass ein Großteil der Arbeit eigentlich gar nicht zu verrichtet werden brauchte.
    Caron war eine intelligente Frau und wusste, wann sie den Mund zu halten hatte, und dies war definitiv einer jener Momente. Die Aufgaben, die ihr übertragen wurden, gefielen ihr keineswegs, trotzdem erledigte sie alles, ohne sich zu beklagen. Seit ihrer Ankunft in Cheetham Castle hatte sie mehr geputzt als in den zehn Jahren davor zusammen. Wenigstens war es drinnen relativ warm und trocken, dachte sie. Der Winter hatte noch kaum begonnen, dennoch fühlte er sich bereits nach einer Ewigkeit an.
    Die Arbeit im Museum empfand sie als besonders traurig. Inzwischen nutzten sie Teile davon als Lagerfläche, weshalb sämtliche Exponate auf eine Seite des großen, L-förmigen Raums zusammengeschoben worden waren. An diesem Morgen hatte sie eine Weile damit verbracht, sie verborgen hinter der Ecke zu betrachten. Kostbare Antiquitäten, nunmehr völlig wertlos. Wunderschön restaurierte und konservierte Artefakte, mittlerweile unbedeutender als Lebensmittel und Wasservorräte, Ersatzkleider und so ziemlich alles andere. Eine Reihe wandbefestigter Exponate war abgehängt und an einer Mauer gestapelt worden. Caron sah sie flüchtig durch, zögerte das Arbeiten noch etwas länger hinaus. Darunter befanden sich Gemälde der Burg aus der Zeit vor Hunderten Jahren, neu errichtet und voller Menschen. Auch Bilder der Nebengebäude enthielt die Sammlung – eine große Halle, ein Arsenal, Stallungen, Unterkünfte, Küchen ... inzwischen nur noch Ruinen. All die verschiedenen Epochen, die Herren der Burg, die Könige und die Generäle ... alles weg. Caron konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie das letzte Kapitel dieses einst prunkvollen Ortes miterlebte. Hätte sie künstlerisches Talent besessen – und sie gab sich keinerlei Illusionen hin, sie besaß nicht das geringste –, hätte sie ernsthaft überlegt, ob sie ein letztes Gemälde anfertigen und an die Museumswand hängen sollte. 21 abgemagerte und verängstige Menschen. Eine Handvoll Wohnwagen. Ein Grundvorrat an Proviant. Eine aggressive Armee von Leichen, die auf der anderen Seite der Außenmauern lauerte. Wohl kaum ein prunkvolles Finale für die mehrere Jahrhunderte umspannende Geschichte der Burg.
    Körperliche Arbeit wie diese war Caron nicht mehr gewöhnt, aber sie biss sich auf die Zunge und lächelte bei Bedarf, um niemanden vor den Kopf zu stoßen. Es gab hier durchaus

Weitere Kostenlose Bücher