Herbst - Ausklang (German Edition)
vollkommen traumatisiert waren. Caron schien es an diesem Abend zu helfen, alles zu trivialisieren. »Ich weiß nicht«, murmelte sie bei sich. »Alle bedienen sich selbst, lassen ihre schmutzigen Teller und Becher überall stehen und beschweren sich dann, wenn keine mehr übrig sind.«
»Soll mich das kratzen, Caron? Scheiß auf sie. Wenn sie sich beklagen, schöpfe ich ihnen diesen Dreck in die bloßen Hände.«
»Ich sehe mal nach, was ich draußen finde, okay?«
»Wie du meinst.«
Caron ergriff eine Waschschüssel, mit der sie schmutziges Geschirr tragen konnte, dass sie finden würde. Sie klopfte an die Tür zwischen dem Café und der Küche, um die Aufmerksamkeit von Mark Ainsworth zu erlangen, der draußen Wache hielt. Er lehnte mit gesenktem Kopf halb schlafend an der Wand. Carons Klopfen weckte ihn.
»Ich muss raus und Geschirr einsammeln, in Ordnung?«, brüllte sie ihm durch ein Fenster zu. Er erwiderte nichts, sondern gähnte nur, nickte und ließ sie raus.
Die Tür fiel mit einem Knall zu, und Lorna arbeitete weiter, versuchte, sich auf das Essen zu konzentrieren und alle anderen Gedanken zu verdrängen. Es kostete sie einige Mühe. Ihr Arm schmerzte, ihr Rücken schmerzte, ihr Kopf schmerzte ... Sie verfluchte sich und wünschte, sie wäre so selbstsüchtig wie Harte gewesen. Hätte sie geistesgegenwärtiger reagiert, wäre sie mittlerweile weg, und vielleicht wären einige andere mit ihr entkommen. So jedoch saß sie fest, und Jackson war tot. Hatte Jas die Absicht gehabt, ihn zu töten? Derselbe Jas, mit dem sie die letzten Monate verbracht hatte ...
Es erschien ihr wie etwas aus einem schlechten Traum, und doch war es beängstigend real. Carons Worte spukten ihr im Kopf herum – das Beste aus dem machen, was man heute hat, weil man es schon morgen verlieren könnte. Gott, wie recht sie hatte. Die Tatsache, dass Jas eine so abscheuliche und für ihn untypische Tat begangen hatte, bestätigte nur etwas, das sie seit Langem vermutete: Je weiter sich jemand von seinem früheren Leben entfernte, desto weniger ähnelte dieser Jemand dem Menschen, der er früher gewesen war. Wie würde das Endergebnis aussehen? Würde es ihnen gelingen, den Verfall zu bremsen und einen Anschein von Normalität zu retten, oder würden sie in einem Jahr alle wie Wilde umherlaufen? Sie rührte weiter die Suppe um, während sie über die Welt jenseits der Burgmauern nachdachte, und fühlte sich leerer denn je zuvor – obwohl die früheren Einschränkungen darüber, wohin man gehen konnte und wohin nicht, mittlerweile nach und nach wegfielen. Theoretisch konnte sie hingehen, wo immer sie wollte, vorausgesetzt, sie schaffte es aus diesem verfluchten Ort raus, und ...
Lorna erstarrte, als eine Hand ihre Schulter berührte. Mit pochendem Herzen wirbelte sie herum, bereit, mit dem Kochlöffel zuzuschlagen, mit dem sie die Suppe umgerührt hatte.
Es war Mark Ainsworth. Sie entspannte sich ein wenig. Nur ein wenig.
»Tut mir leid, Liebste«, sagte er. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Warum schleichst du dich dann so an, du Idiot?«, schrie sie ihn an. »Und ich bin nicht deine ›Liebste‹, klar? Ich bin niemandes Liebste.«
Er wich zurück, hob beschwichtigend die Hände.
»Tut mir leid«, wiederholte er.
»Was willst du überhaupt.«
»Eine Tasse Tee wäre schön, wenn du mir eine machst.«
»Tu ich nicht. Du weißt ja, wo alles ist. Mach ihn dir selbst.«
»Es gibt keinen Grund, so unfreundlich zu sein ...«
»Leck mich.«
»Willst du auch einen?«
»Nein.«
Ainsworth holte sich eine Tasse und braute sich sein Getränk mit heißem Wasser aus dem Dampfgarer, den Caron benutzt hatte. Dabei ließ er Lorna nicht aus den Augen. Sie spürte, dass er sie anstarrte, weigerte sich jedoch, Blickkontakt herzustellen. Ignorier ihn einfach, dann verschwindet er schon wieder .
Aber Ainsworth ging nirgendwohin.
»Hör mal«, begann er, »ich glaube, wir beide haben auf dem falschen Fuß angefangen. Ich will keinen Ärger. Ich will nur, dass wir miteinander auskommen.«
»Wir kommen dann miteinander aus, wenn du dich verpisst und dich von mir fernhältst, verstanden?«
»Das wird nicht so einfach, immerhin sitzen wir alle hier fest.«
»Dafür können wir uns bei deinem Kumpel Jas bedanken.«
»Ich dachte, er wäre dein Kumpel.«
»Er ist kein Freund von mir. Nicht mehr nach heute.«
»Lass ihn bloß nicht hören, dass du so redest, ja?«
»Warum? Was will er sonst tun? Mich umbringen?«
»Ich werde nicht
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