Herbst - Beginn
Kopf.
»Nein«, gab er zurück.
Ohne Vorwarnung brach etwas in Philip. Binnen eines Lidschlags verwandelte der kleinwüchsige Mann sich in ein tollwütiges Tier. All seine seit dem Beginn des Albtraums aufgestauten Ängste entluden sich in einer Explosion aus blanker Wut, als er sich auf Michael stürzte und ihn quer durch das Schlafzimmer schleuderte. Überrascht von der Wucht des unerwarteten Angriffs verlor Michael das Gleichgewicht und stolperte rücklings durch die Tür. Philip umklammerte ihn verbissen, und die beiden kullerten die Treppe hinab, an deren Fuß sie vor Emma zu liegen kamen.
»Lauf zurück zum Auto!«, gellte Michael, während er seinen Gegner zu Boden drückte. »Lass den Motor an!«
Ungeachtet seiner Geschwindigkeit und der Vehemenz eines Besessenen war Philip schwach und von zierlichem Körperbau, sodass es keiner allzu großen Anstrengung seitens Michaels bedurfte, um ihn zu überwältigen. Er drehte ihn herum und nahm den dürren Hals in einen engen Schwitzkasten. So schleifte er Philip zur Eingangstür des Hauses und ignorierte seine kläglichen, röchelnden Schreie.
Auf der Straße befanden sich zwischen dem Landrover und dem neuen Wagen drei wandelnde Leichen. Emma rannte an ihnen vorbei, sprang ins Auto und startete den Motor. Die Toten, zu denen sich aus den Schatten ringsum weitere gesellten, umringten das Fahrzeug. Emma spähte zwischen ihnen hindurch und wartete angespannt darauf, dass Michael endlich auftauchte.
Einige der Leichen reagierten auf den Lärm aus dem Gebäude und wankten darauf zu. Emma trat aufs Gas und hoffte, der Motorlärm würde sie ablenken und Michael die Chance eröffnen, zum Landrover zu gelangen. Ein paar der schlurfenden Gestalten wirbelten linkisch herum und stolperten auf sie zu. Mindestens ebenso viele jedoch behielten das Haus im Visier.
Michael schaute auf und erblickte drei Leichname im Eingang. Philip, der spürte, dass Michael abgelenkt war, nutzte die Gelegenheit, um sich ihm zu entwinden. Rasch entfernte er sich ein paar Schritte von ihm und wischte sich Tränen aus den Augen. Die Gefahr, die von den herannahenden Leichen ausging, schien ihm nicht bewusst zu sein.
»Warum kann ich Mama nicht mitnehmen?«, winselte er.
Michael griff nach seinem Arm, um ihn aus dem Haus zu ziehen, aber er wich zurück und wirbelte herum. Eine der Leichname packte Philip an den Schultern. Ein anderer griff sich seine Beine. Erschrocken begann Philip zu schreien.
»Nimm sie weg!«, kreischte er. »Bitte, nimm sie weg!«
Michael zerrte die Kreaturen von ihm und stieß sie zurück hinaus auf die Straße. Dabei sah er, dass etwa zwanzig Gestalten Emmas Auto umringten; dazwischen erhaschte er einen flüchtigen Blick auf ihr panisches Antlitz, das ihn durch die Windschutzscheibe anstarrte. Ihm war klar, dass er eine Entscheidung treffen musste, und zwar sofort. Er konnte versuchen, Philip weiter dazu zu überreden, ohne seine Mutter mitzukommen, oder er konnte ihn zurücklassen. Sein Blick fiel auf den Mitleid erregenden Abklatsch von einem Mann, der wimmernd und schniefend mitten im Wohnzimmer stand.
Die Entscheidung war getroffen.
Michael rannte zur Tür hinaus, stieß Leichname beiseite und hielt nur einmal kurz inne, um die Tür in der Hoffnung hinter sich zuzuziehen, Philip eine Chance zu ermöglichen. Dann kämpfte er sich durch die Schar der zerlumpten Kreaturen, kletterte in den Landrover und startete den Motor. Durch die Windschutzscheibe starrte ihn eine Masse grotesker, verwesender Fratzen an. Michael hupte einige Mal, und als Emma das Signal erwiderte, trat er behutsam aufs Gas und rollte los. Die zerfallenden Körper boten kaum Widerstand.
Mit einem Blick in den Innenspiegel vergewisserte er sich, dass Emma ihm folgte, dann drückte er das Gaspedal durch.
42
Noch sieben Meilen bis zur Penn Farm.
Das Labyrinth der gewundenen Feldwege im Umkreis des Bauernhofs war verwirrend. Zudem fiel es Michael schwer, sich zu konzentrieren, weil ihn andere Gedanken beschäftigten. Hatte er richtig gehandelt, indem er Philip zurückgelassen hatte? Oder hätte er sich mehr Mühe geben sollen, um ihn aus seinem Haus zu schleifen. Er wusste, dass die arme, verstörte Seele ihre tote Mutter wahrscheinlich niemals freiwillig verlassen hätte, obendrein hatte Michael keine Zeit mehr gehabt, um zu versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen. Letzten Endes war es auf eine Entscheidung zwischen Emma und Philip hinausgelaufen. Einerseits war ihm der Gedanke unerträglich,
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