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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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ändern können. Das Einzige, worüber wir ein wenig Kontrolle haben, ist, was wir morgen tun.«
    »Und was tun wir morgen?«
    »Ich hab nicht die leiseste Ahnung!«, gab Michael zurück und lachte verkniffen.
    Es begann zu regnen. Erst waren es nur vereinzelte Tropfen, die sich jedoch binnen Sekunden in einen Schauer beinah monsunartiger Ausmaße verwandelten. Rasch zwängten Carl und Michael sich durch das Dachfenster und ließen sich hinab in den bedrückend stillen Saal.
    »Tut gut, ab und an mal an die frische Luft zu kommen, was?«, murmelte Carl sarkastisch.
    »Da ist was Wahres dran«, erwiderte Michael, der Mühe hatte, sich über den Lärm des heftigen Regens Gehör zu verschaffen.
    »Was?«
    »Du hast Recht. Ich denke, es täte uns gut, an die frische Luft zu kommen. Hast du schon mal über die Leichen nachgedacht?«
    »Scheiße, ich kann an kaum etwas anderes denken ...«
    Michael schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich meine, hast du schon mal darüber nachgedacht, was passieren wird, wenn sie ernsthaft zu verwesen beginnen? Die Luft wird voll von Keimen und sonstigem Mist sein.«
    »Dagegen können wir nicht viel tun, oder?«
    »Dagegen können wir einen Scheißdreck tun«, gab Michael unverblümt zurück. »Aber wir könnten von hier verschwinden.«
    »Verschwinden? Wohin? Es wird überall so sein, oder?«
    »Keine Ahnung.«
    »Was würde es also bringen, von hier zu verschwinden?«
    Carl wurde klar, dass Michael wesentlich logischere Überlegungen angestellt hatte als der Rest der Überlebenden zusammen.
    »Denk mal nach. Wir befinden uns hier am Stadtrand. Rings um uns sind hunderttausende Leichen.«
    »Und ...«
    »Und ich finde, wir sollten uns aufs Land durchschlagen. Dort gibt es weniger Leichen, was zwangsläufig eine geringere Seuchengefahr bedeutet. Völlig sicher werden wir nirgends sein, aber ich denke, wir sollten versuchen, unser Risiko zu minimieren. Wir sollten zusammenpacken und so bald wie möglich von hier verschwinden.«
    »Du willst das wirklich durchziehen?«
    »Wenn wir bereit dafür wären, würde ich noch heute Nacht aufbrechen.«
    11
    Trotz des Umstands, dass jeder Einzelne der Überlebenden neue Dimensionen emotionaler und mentaler Erschöpfung erreicht hatte, konnte niemand an Schlaf auch nur denken. Der Schlafmangel bewirkte, dass die ungleichartige Gruppe furchtsamer und verzweifelter Menschen mit jeder verstreichenden Minute noch ängstlicher und verzweifelter wurde. Nur ein paar schwache Gaslampen und vereinzelte Taschenlampen erhellten den Saal. Der Mangel an Licht schien die Orientierungslosigkeit und Furcht zu verstärken, die sie alle verspürten. Gegen Mitternacht erreichten die Spannungen und die Frustration selbst der friedfertigsten Mitglieder der Gruppe gefährliche Ausmaße.
    Jenny Hall, die ihren drei Monate alten Jungen in den Armen gehalten hatte, als er am Dienstagmorgen starb, hatte es gewagt, sich über das Essen zu beschweren, das sie am Abend erhalten hatten. Wenngleich sie ihre unschuldige Bemerkung nicht böse gemeint hatte, fühlte sich der Koch – der sonst so stille und reservierte Stuart Jeffries – persönlich angegriffen.
    »Du blöde Schlampe«, brüllte er sie an, das Gesicht buchstäblich nur Millimeter von dem ihren entfernt. »Was fällt dir ein, dich zu beschweren? Verdammte Scheiße, du bist nicht die Einzige, die es schwer hatte. Herrgott, wir sitzen hier alle im selben Boot ...«
    Mit zitternden Händen weinte Jenny bittere Tränen. Sie verkrampfte sich vor Angst und konnte ihre Bewegungen kaum kontrollieren.
    »Ich wollte nicht ...«, stammelte sie. »Was ich sagen wollte, war nur ...«
    »Halt‘s Maul!«, schrie Stuart, packte sie an den Armen und drückte sie gegen die Wand. »Halt dein verdammtes Maul!«
    Einen Augenblick stand Michael nur da und beobachtete die Szene, verblüfft, wie betäubt und außer Stande zu begreifen, was er bezeugte. Doch es gelang ihm rasch, sich aus seiner ungläubigen Trance zu lösen und einzuschreiten. Er packte Stuart und riss ihn von Jenny weg, die entlang der Wand zu Boden rutschte und als schluchzendes Häufchen Elend auf dem schmutzigen braunen Boden zusammensackte.
    »Mistkerl«, fauchte sie und schaute zu Stuart auf. »Verdammter Mistkerl.«
    Michael schob Stuart quer durch den Raum und stieß ihn auf einen Stuhl.
    »Was ist bloß los mit dir?«, verlangte er zu erfahren.
    Stuart erwiderte nichts. Stattdessen starrte er zu Boden. Seine Züge waren gerötet, die Fäuste geballt, und er zitterte vor

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