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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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war.
    Aber zumindest waren damit die Grenzen gezogen. Das Hin und Her war zu Ende. Wir konnten bleiben und verrotten, oder wir konnten gehen. Keine besondere Auswahl.
    An jenem Vormittag blieb Emma im Gemeindezentrum, um unsere Sachen zu packen, während Carl und ich in die Stadt aufbrachen, um zusammenzusuchen, was wir für unsere Reise ins Unbekannte brauchen könnten. Als wir draußen waren, wurden die Dummheit und Kurzsichtigkeit derer, die sich im Gemeindezentrum verschanzten, nur noch augenscheinlicher. Die Stadt erwies sich als wahre Goldgrube. So gut wie alles, was wir uns wünschten, war zu haben. Wir brauchten lediglich danach zu suchen. Es glich einem Einkaufsbummel mit einer Kreditkarte ohne Limit, und die toten Verkäufer waren weit weniger lästig als lebendige. Am seltsamsten aber fühlte es sich an, in den Geschäften zu stehen und hinaus auf die stillen Straßen zu schauen. Es gab reichlich stolpernde Leichname, die ziellos umherschlurften. Um ehrlich zu sein, sah ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Masse der toten Kreaturen und den Horden der gleichermaßen ziellos umherwandernden Konsumenten, die vor weniger als einer Woche die Straßen bevölkert hatten.
    Aus einem erstklassigen Autohaus holten wir uns einen Wagen brauchbarer Größe. Es war einer jener Vans mit sieben Sitzplätzen. Zwar hatten wir noch nicht viel zum Mitnehmen, aber es erschien uns sinnvoll, das größte Auto zu nehmen, das wir finden konnten. Im Notfall konnte es uns sogar als zeitweiliger Unterschlupf dienen. Eine Weile spielten wir mit dem Gedanken, stattdessen nach einem Lieferwagen oder etwas Ähnlichem Ausschau zu halten, entschieden uns jedoch letztlich dagegen. Es schien nicht notwendig, auf etwas Komfort zu verzichten, zumal er nichts kostete.
    Außerdem luden wir Lebensmittel und Kleider ein, weil keiner von uns viel dabeihatte. Während wir draußen waren, kam von Zeit zu Zeit der Gedanke auf, nach Hause zurückzukehren, um unsere eigenen Dinge zu holen. Zuerst störte mich persönlich die Vorstellung nicht, aber Carl war von Anfang an sicher, dass er es nicht wollte. Er hatte mir bereits ein wenig von seiner Frau und seinem Kind erzählt, und ich konnte nachvollziehen, warum er nicht einmal in die Nähe seines früheren Zuhauses wollte. Ich hatte zwar alleine gelebt, doch je mehr ich darüber nachdachte, desto beunruhigender fand auch ich den Gedanken, in das leere Hause zurückzukehren. Selbst in meinem Fall schien es zu viele Erinnerungen und Emotionen zu beherbergen – hätte ich dort jemanden zurückgelassen, wäre eine Rückkehr undenkbar gewesen. Unterm Strich befanden sich dort neben meiner Vergangenheit nur meine Besitztümer, die problemlos ersetzt werden konnten. So gut wie alles, was ich wollte, konnte ich mir aus den Regalen eines der trostlosen Läden nehmen, die wir plünderten.
    Ich verlor jedes Gespür für die Zeit. Wir waren seit neun Uhr morgens unterwegs, aber es fühlte sich wesentlich länger an. Im Verlauf der letzten Woche hatten meine Tage jede Form, Struktur und Vertrautheit verloren. Niemand schlief besonders viel. Man erwachte unwillkürlich ohne bestimmten Rhythmus und beschäftigte sich so gut wie möglich, bis man die Augen nicht mehr offen halten konnte. Es gab keine Essenszeiten oder Ruhezeiten, einfach nur Zeit. Jede Stunde schien sich länger hinzuziehen als die vorherige.
    Kurz vor elf Uhr fuhren Carl und ich mit unserem silbernen, mit Vorräten voll gepackten Van durch die stillen Straßen zurück zum Gemeindezentrum.
    13
    Emma war es gelungen, all ihre Habseligkeiten in zwei Tragetaschen und einem Karton zu verstauen. Sie tat dasselbe mit Michaels und Carls Sachen. Zusammen brachten sie es auf gerade mal fünf Tragetaschen und zwei Kartons.
    Sie seufzte vor Erleichterung, als Carl und Michael drei Minuten vor elf Uhr zurückkehrten. In all der Zeit, während die beiden aus dem Gemeindezentrum weg waren, hatten die anderen kaum mit ihr gesprochen. Es war beinah so, als existierte sie plötzlich nicht mehr. Die restlichen Überlebenden schienen zu glauben, sie würden verlassen, und Emma hatte echte Schwierigkeiten nachzuvollziehen, warum sie so empfanden. Die Einladung, Michael, Carl und sie zu begleiten, war für jeden Einzelnen – für alle, wenn sie wollten – nach wie vor aufrecht. Emma vermutete, dass allein Unsicherheit und ihre irrationale persönliche Angst, vor das klapprige Holzgebäude zu treten, sie davon abhielten. Unzählige Male in jenen wenigen

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