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Herbst - Beginn

Herbst - Beginn

Titel: Herbst - Beginn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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hatte. Vermutlich instinktiv. Was immer der Grund sein mochte – dass es keine vernünftige Antwort darauf geben konnte, empfand sie als ziemlich deprimierend. Der völlige Mangel an erquickender Zerstreuung, gepaart mit der ständigen Angst vor allem, was sich jenseits des Zauns herumtrieb, schlug ihr mehr und mehr aufs Gemüt. Die Mischung aus unablässiger Langeweile und Angst schwebte wie eine schwarze Gewitterwolke über ihr. Der Umstand, dass Carl sie verlassen hatte, verschlimmerte ihr negatives Empfinden zusätzlich.
    »Vielleicht sollten wir etwas unternehmen«, schlug Michael vor, dem Emmas Schwermut nicht entging. Es war kein großartiger Einfall, aber der beste, den er zustande brachte. »Wir könnten zum Bespiel irgendetwas bauen.«
    »Was?«
    Michael musste feststellen, dass er keine Antwort parat hatte. »Ich weiß auch nicht. Herrgott, es muss doch irgendetwas zu tun geben. Wir könnten Frühjahrsputz machen, ein Zimmer schmücken oder einen beschissenen Kuchen backen ... irgendetwas.«
    »Wir könnten aber auch bloß rumsitzen und die Uhr beobachten, bis wir einschlafen. Morgen stehen wir auf, und dasselbe Spiel beginnt von vorne.«
    Emmas Haltung schmerzte Michael. Er konnte nachvollziehen, wie ihr zumute sein musste, doch der Umstand, dass sie sich letzte Nacht ein wenig entspannt hatten, gestaltete ihre augenscheinliche Unzufriedenheit und Teilnahmslosigkeit noch frustrierender und schwerer verdaulich. Oder benahm sie sich gerade deshalb so? Geißelte sie sich nun selbst, weil sie ein paar Schutzschilde gesenkt und ihre wahren Gefühle und Gedanken preisgegeben hatte?
    Bedrückt fragte sich Michael, ob es immer so sein würde.
    39
    Carl Henshawe
    Eingerollt auf dem Dach schlief ich etwa eine Stunde. Es war verdammt kalt, aber mir erschien es besser zu erfrieren, als zurück hinunter zu klettern. Ich konnte mich nicht dazu überwinden, in das Gebäude zurückzukehren. Natürlich wusste ich, dass es mir letztlich nicht erspart bleiben würde, das Motorrad zu holen und mich hinauszuwagen, aber noch war ich nicht bereit dazu.
    Am deutlichsten in Erinnerung ist mir, dass der Morgen sich grau präsentierte. Alles war grau. Der Himmel, die Gebäude, die Straßen – die Leichen. Sämtliche Farben schienen sich aufgelöst zu haben.
    Zum ersten Mal sah ich ein paar Minuten nach fünf auf die Uhr, und ich brauchte bis kurz vor acht, ehe ich zu einer Entscheidung darüber gelangte, was ich tun wollte. Während der längsten drei Stunden meines Lebens saß ich in Wind und Regen auf dem Dach des Gemeindezentrums, grübelte über alles nach, was ich in der Stadt zurückgelassen hatte und überlegte, ob ich zu meinem früheren Zuhause fahren sollte. Irgendetwas musste ich unternehmen. Es so weit geschafft zu haben und nun einfach zu Emma und Michael zurückzukehren, kam nicht in Frage. Seit dem Augenblick, als ich an jenem ersten Morgen mein Haus verlassen hatte, hatte ich ständig nur an Gemma und Sarah denken können. Genau das war der Grund, weshalb ich nicht nachvollziehen konnte, was Emma und Michael zu erreichen versuchten. Mir erschien es sinnlos weiterzuleben, wenn ich Gemma und Sarah nicht um mich haben konnte.
    Eine Weile spielte ich sogar mit dem Gedanken an Selbstmord, aber ich bin ein solcher Feigling, dass ich zu keiner Entscheidung gelangte, wie ich es anstellen sollte. Medikamente oder Drogen hatte ich nicht, und ich konnte mir auch keine beschaffen, ohne von ganzen Horden dieser verfluchten Kreaturen umringt zu werden. Und die Vorstellung, wie sich tausende verwesende Leichen um mich zankten, flößte mir eine Heidenangst ein. Zwei Mal ging ich zum Rand des Daches vor und wollte springen, aber es schien mir nicht annähernd hoch genug. Wahrscheinlich würde ich mir nur einen Arm oder ein Bein brechen, hilflos daliegen, Schmerzen leiden und abwarten müssen, bis sie mich holen. Was für eine beschissene Ironie! Millionen von toten Menschen umgaben mich, und ich hatte nur den einen Wunsch, mich ihnen anzuschließen, und konnte es nicht. Hätte ich das Gewehr von der Penn Farm mitgenommen, hätte ich es wohl damit hinter mich gebracht. Kurz und schmerzlos. Aber verdammt, es war Wochen her, seit zuletzt etwas kurz und schmerzlos funktioniert hatte.
    In den langen, einsamen Minuten, die folgten, quälten mich weitere ironische Gedanken. Jedes Mal, wenn Sarahs und Gemmas liebliche Gesichter vor meinem geistigen Auge auftauchten, hätte ich am liebsten aufgegeben. Aber ich wusste, dass Sarah das nicht

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