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Herbst - Läuterung

Herbst - Läuterung

Titel: Herbst - Läuterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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Aussehen noch Verhalten von den Leichen, die doppelt so groß und sehr viele Jahre älter waren.
    Danny Talbot trat nach vor und hackte, vor Anstrengung mit einem jähen Ächzen, mit einem Handbeil auf den schmalen Nacken der Leiche ein. Er benötigte fünf feste Schläge, bevor der Hals und das Rückenmark soweit beschädigt waren, dass sich der Leichnam nicht mehr bewegen konnte. Er fiel Michael vor die Füße, der sich daneben hinkniete.
    »Alles okay?«, wollte Fry wissen.
    Michael nickte. Während er den Atem anhielt und sich die größte Mühe gab, den erdrückenden Gestank des madenverseuchten Körpers zu ignorieren, hob er ihn mit behandschuhten Händen auf und trug ihn behutsam durch den Garten auf den Straßenrand hinaus. Er legte ihn auf den Grünstreifen, wie sie es mit den anderen abgesprochen hatten. Ihre heutige Aufgabe war es, sich darauf zu konzentrieren, die Grundstücke zu säubern. Andere würden später wieder umherfahren, alle Leichen in den Lastwagen befördern und sie zu einem Entsorgungsplatz transportieren. Das war alles, was diesem armen Kind jetzt geblieben war, dachte er traurig, als er in die Überreste des Gesichtes starrte. Keine Schule. Keine Pubertät. Kein erster Kuss. Kein Auszug, kein Schritt ins Arbeitsleben. Keine Erfolge, kein Scheitern. Nichts.
    Als Michael wieder aufgestanden war und sich umdrehte, waren Fry und Talbot bereits im Haus verschwunden. Er folgte ihnen.
    »Ist hier drin sonst noch etwas?«, fragte er. Der Gestank des Hauses war wie immer widerwärtig.
    »Nur das noch, denke ich«, antwortete Fry. Er zeigte in das Wohnzimmer. Auf dem Teppich lag der Leichnam, den er schon von draußen gesehen hatte. Talbot hörte man im oberen Stockwerk, als er die Schlafzimmer überprüfte. Sekunden später polterte er bereits mit einem vor jäher Anstrengung leuchtend rotem Gesicht wieder nach unten.
    »Sauber«, keuchte er.
    Fry packte die knochigen Handgelenke der Leiche und zog sie nach draußen in den Flur. Vermutlich handelte es sich dabei um die Mutter des toten Kindes, die sich dadurch, dass sie in einer trockenen und relativ gleichbleibenden Umgebung gelegen war, vergleichsweise gut erhalten hatte. Die Leiche hinterließ aufgrund der Verwesung einen dunklen, klebrigen Fleck auf dem staubbedeckten Läufer.
    Das kalte, widerhallende Haus war schlicht und traditionell, wodurch es Michael in vielerlei Hinsicht an die Penn Farm erinnerte. Die Art und Weise, in der Fry den Kadaver entsorgte, erinnerte ebenfalls an das Vorgehen, mit dem er und Carl Henshawe die Überreste des Landwirtes Arthur Jones vor etlichen Wochen aus dem Wohnraum des Bauernhofes entfernt hatten. Durch den muffigen Geruch und dem Mangel an Frischluft erhielt das Gebäude eine altertümliche, museumsartige Atmosphäre.
    »Sind Sie sich sicher, dass es Ihnen gut geht?«, murmelte Fry, als er hereinkam, nachdem er die Leiche auf den Grünstreifen neben der Straße gekippt hatte. »Sie scheinen heute Morgen meilenweit entfernt zu sein.«
    Michael stand immer noch im Flur und sah sich um. »Mir geht’s gut.« Fry hatte die Tatsache, dass Michael distanziert und geistesabwesend war, sofort bemerkt. Er selbst war sich dessen bis zu dem Augenblick, als er darauf hingewiesen worden war, gar nicht bewusst gewesen. Man konnte allerdings nicht leugnen, dass er sich an diesem Tag anders fühlte. Ebenso wie er sich andauernd um Emma und die anderen Überlebenden, die auf dem Festland zurückgeblieben waren, Sorgen machte, musste er mit einer Reihe überraschender Gefühle kämpfen. Er verspürte ein befremdliches und unangenehmes Gefühl der Enttäuschung in sich – und anfänglich konnte er nicht verstehen, warum. Er fragte sich, ob es daran lag, dass er sich allmählich der Einschränkungen der Insel bewusst wurde. So sicher und beschützend sich der Ort zweifellos am Ende auch erweisen würde, so konnte er ebenfalls erkennen, dass er zu einem beschränkten und erdrückenden Milieu werden würde. Durch ihre isolierte und abgeschiedene Lage würde es für ihre kleine Gemeinschaft unausweichlich schwierig werden, anzuwachsen und sich reibungslos auszubreiten. Es war bereits offenkundig, dass Cormansey nicht das Elysium werden würde, von dem er und die anderen naiverweise geträumt hatten. Hier würde nichts einfach werden, soviel war sicher. Michael wunderte sich, ob die gestrigen Ereignisse daran schuld waren, dass es heute so schwer war? Lag es daran, dass er den verloren gegangenen Aspekten des Lebens

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