Herbst - Stadt
die Leichen von sich zu stoßen und den Trümmern der Autowracks sowie den verrottenden Kadavern, die ihren Weg übersäten, auszuweichen. Die Horde wogte unerbittlich und in ihrer kollektiven Bewegung langsam, aber unheilvoll und unaufhaltsam wie eine dicke, breiige Flüssigkeit hinter ihr her. Als sie es über den Mittelstreifen geschafft hatte, wusste sie, dass sie beinahe am Ziel war. Sie konnte ihren hohlköpfigen Begleiter hinter sich hören, wie er vor Anstrengung grunzte und stöhnte, während er sich durch den endlos scheinenden Strom der Toten kämpfte und immer näher kam.
»Nach rechts!«, hörte sie ihn schreien und sie wechselte unverzüglich die Richtung. Das Gebäude vor ihnen war lang und schmal, doch sie waren der rechten Seite beträchtlich näher als der linken. Es erschien zwar logisch, auf die Rückseite zu gelangen, doch wer konnte sagen, ob sich hinter dem Gebäude nicht vielleicht eine zweimal so große Horde befand? Die Alternativen waren trostlos. Sie rannte weiter.
Rund um den Vordereingang standen die Leichen dicht gedrängt. Als Donna um die Ecke lief, sah sie zu ihrer Erleichterung, dass sich auf dieser Seite des Gebäudes beträchtlich weniger befanden. Zweifellos deshalb, befand sie, da die meisten der Leichen gewiss aus Richtung Innenstadt angerückt waren. Nachdem sie um eine Seite einer rotweiß gestreiften Eintrittsbarriere gerutscht war, holte sie tief Luft, stieß zwei weitere Leichen aus dem Weg und rannte wieder vorwärts.
»Raufsteigen!«, hörte sie Paul hinter sich schreien. »Weg vom Boden!«
Donna sah sich hilflos um und wusste nicht, was er von ihr wollte. Er beantwortete ihre Frage, als er plötzlich neben ihr erschien und sich einen Weg durch die Horden zu einem großen Lieferwagen, der an der Längsseite des Gebäudes abgestellt war, bahnte. Indem er nach dem Seitenspiegel auf der Beifahrerseite packte, zog er sich in die Höhe und außer Reichweite der zuschnappenden Hände unter sich. Dann legte er sich flach auf das Dach des LKW und streckte sich zu Donna hinunter.
»Na los«, zischte er.
Erschöpft bahnte sie sich einen Weg zum Lieferwagen und kletterte nach oben. Als sie das Dach des LKW erreicht hatte, war Paul bereits dabei, der Länge nach über das Fahrzeug bis zu dessen hinterem Teil zu balancieren. Donna folgte ihm, blieb dann stehen und fiel, sobald sie in Sicherheit war, auf die Knie.
»Hilfe!«, kreischte sie verzweifelt und betete, dass sie irgendjemand im Inneren des Gebäudes hören würde.
Das Hinterteil des Fahrzeuges, auf dem Paul stand, war weniger als drei Schritte von der Außenmauer des Gebäudes entfernt. Direkt über seinem Kopf, nur ein wenig rechts von ihm, befand sich ein kleiner Balkon. Ohne aufzuhören, über die Risiken nachzudenken, sprang er nach oben und packte nach der metallenen Einfassung, die rund um den Balkon verlief. Mit einer hastigen Bewegung holte er aus und wickelte seinen Arm rund um eine der metallenen Geländerstangen. Sein Gesicht verzog sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse, als seine Schulter durch die plötzliche Verlagerung des Körpergewichtes aus dem Gelenk gerissen zu werden schien. Es gelang ihm, sich langsam und mit viel Mühe nach oben zu ziehen. Donna beobachtete vom Dach des Lieferwagens aus, wie er sich nach oben auf den schmalen Absatz zog und mit seinen Fäusten wild gegen ein doppelverglastes Fenster trommelte.
Donna legte sich hin, rollte sich auf den Rücken und blickte in den grauen Morgenhimmel hinauf. Das Geräusch, das Paul erzeugte, verlor sich rasch in der Stille, nachdem sie sich entspannte. Genauso verhielt es sich mit dem anhaltenden Schlurfen der unermüdlichen Leichenmassen, die rund um die Vorderseite des Gebäudes und den LKW herumstreunten. Sie starrte in die Wolken, die sich über ihrem Kopf bewegten, und beobachtete, wie sie von rechts nach links geweht wurden. Wenn ich nach oben sehe und nicht aufhöre, nach oben zu sehen, dachte sie sich, dann wirkt alles normal. Wenn ich nicht nach unten sehe, dann kann ich so tun, als ob nichts von all dem geschieht. Ich kann wenigstens für ein paar Sekunden lang so tun, als würde es nicht geschehen.
Nachdem sie das Fenster gefunden hatten, hinter dem Paul stand, hebelten es die Überlebenden auf und zogen ihn rasch zu sich ins Innere. Zwei Männer benutzten eine Leiter, um die Kluft zwischen dem Gebäude und dem Dach des Lieferwagens zu überbrücken, wagten sich in den kalten und unwirtlichen Morgen und brachten Donna in den
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