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Herbst - Stadt

Herbst - Stadt

Titel: Herbst - Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Moody
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sich zu säubern. Michael zuckte vor Kälte zusammen, als er seine Kleider mit Wasser und einem Schwamm abtupfte. Wie konnte das geschehen?
    Hundert düstere Gedanken kreisten durch seinen verwirrten, von Schuldgefühlen geplagten Verstand. Wusste Emma, was er getan hatte? War es ein solches Verbrechen? Würde sie gehen, von ihm getrennt sein wollen? Hatte er wirklich etwas Falsches getan? Konnte sie ihm noch vertrauen? Würde sie ihn verabscheuen? Hielt sie ihn für einen Perversen?
    All seine Fragen wurden beantwortet, als er letztlich den Mut aufbrachte, zu ihr zurückzukehren.
    »Weißt du, das ist schon in Ordnung?«, sagte sie leise, als er sich ihr näherte.
    Michael wäre am liebsten im Boden versunken.
    »Was? Du meinst, du ...«, stammelte er.
    »Das ist vollkommen natürlich«, beruhigte ihn, stand aus dem Bett auf und kam auf ihn zu.
    »Ich ...«, setzte er an, wusste jedoch nicht, was er sagen sollte.
    Da Emma spürte, dass eine Unterhaltung schwierig würde, schlang sie stattdessen die Arme um ihn und vergrub kurz das Gesicht in seiner Brust, ehe sie ihm in die Augen blickte und ihn zärtlich auf die unrasierte Wange küsste. Ihre Hände wanderten über seinen Rücken und drückten ihn.
    »Schäm dich nicht«, flüsterte sie. »Ich verstehe das.«
    »Wirklich.«
    Sie küsste ihn auf die Lippen. Das hatte sie schon öfter getan, doch diesmal fühlte sich die Verbindung zwischen ihnen unbestreitbar stärker an. Eindringlich sah sie ihn an.
    »Ich weiß, wie du dich fühlst«, murmelte sie.

33
    Die riesige Menge vor dem Universitätsgebäude wuchs immer noch an. Unablässig schleppten sich weitere verwesende Leichen schwerfällig durch die Trümmer des Stadtzentrums zum Universitätskomplex. Für die Überlebenden im Inneren war unmöglich abzuschätzen, wie offensichtlich ihre Gegenwart geworden war. Den Rest der Umgebung beherrschte fast völlige Stille. Die einzigen Geräusche waren entweder natürlichen oder versehentlichen Ursprungs – Wind, der durch kahle Äste seufzte oder tollpatschig umherwankende Leichname, die gegen etwas stießen und es umwarfen. In dichtem, allumfassendem Vakuum wirkte selbst die geringste Störung überproportional verstärkt, genau wie die Reaktionen, die auf solche Störungen folgten. Bevor das Massensterben über die Stadt hereingebrochen war, hatte sie über eine Million Menschen beherbergt. Von den Verstorbenen hatte sich über ein Drittel wieder erhoben und nach und nach die Fähigkeit zurückerlangt, auf grundlegende Reize zu reagieren. Wenn ein Leichnam auf etwas ansprach und dies von einem anderen bemerkt wurde, wankte der zweite unweigerlich auf den ersten zu, gefolgt von einem weiteren und wieder weiteren. Auf diese Weise lockte ein einziges unerwartetes Geräusch oft über Hundert der kläglichen Kreaturen scheinbar aus Neugier in dieselbe Richtung. Durch die regelmäßig, wenngleich unbeabsichtigt von den Überlebenden verursachten Laute und die gelegentlichen Leuchtfeuer, die sie entzündeten, hatten sie die unerwünschte Aufmerksamkeit von mittlerweile über zehntausend wandelnden Toten auf sich gelenkt.
    Von einem glasüberdachten Treppenabsatz drei Stockwerke unterhalb des Dachs des Gebäudes blickten Yvonne, die einstmals eitle Rechtsanwaltssekretärin, und Bernard Heath auf die riesige Horde hinab. Es war früher Morgen. Wie üblich konnten sie beide nicht schlafen.
    »Was sollen wir nur tun, Bernard?«, fragte sie leise und zog einen dicken Mantel enger um sich, um die Kälte auszusperren. Der Winter nahte, und sie spürte den Temperaturabfall deutlich, vielleicht auch deshalb, weil sie seit fast einem Monat keine anständige Mahlzeit mehr gehabt hatte. Die beiden Überlebenden waren über fünfzig, und die körperlichen Auswirkungen ihrer Tortur begannen sich an ihnen zu zeigen. Aus keinem offensichtlicheren Grund als ihrem annähernd gleichen Alter waren sie einander näher gekommen und hatten in den letzten Tagen viel Zeit miteinander verbracht.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Heath traurig und starrte eindringlich auf die Masse, die sich unter ihnen ausbreitete.
    »Glauben Sie, die Leute, die sagen, wir sollten von hier weg, haben Recht?«
    »Keine Ahnung«, murmelte er.
    »Ich kann den Gedanken daran nicht ertragen, mit diesen Dingern da draußen zu sein. Es sind Hunderte und Aberhunderte. Wie sollen wir an ihnen vorbei?«
    Heath antwortete nicht. Stattdessen sackte er vorwärts und lehnte den Kopf gegen das kalte Glas. Draußen regnete es in

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