Herbst - Zerfall
herumdrückt?«, gab Harte zu bedenken. »Vielleicht sollten wir es zwingen, aus seinem Versteck zu kommen, damit wir genau sehen, was es macht.«
»Was soll es denn machen?« Jas seufzte. »Für uns steppen?«
»Verdammtes Drecksding«, fluchte Harte. Er hob die Faust an und hämmerte gegen das dicke Sicherheitsglas. »Komm raus, damit wir dich sehen können, du verdammtes Drecksding!«
»Gönn ihm ‚ne Pause«, meinte Reece. »Und mach nicht solchen Lärm.«
Harte ignorierte ihn und hämmerte weiter.
»Harte«, herrschte Jas ihn wütend an. »Schluss damit.«
»Erst, wenn es rauskommt. Bringt schließlich nichts, sich so ‚ne Kreatur zu halten, wenn man sie nicht beobachten –«
Jäh verstummte er, als der Leichnam plötzlich vorwärtswankte. Mit wachsender Geschwindigkeit durchquerte er den Raum, prallte gegen das Fenster und taumelte durch die Wucht rücklings wieder in die Schatten. Harte sprang vor Überraschung auf die gegenüberliegende Seite des Korridors zurück.
»Großer Gott«, stieß er hervor und versuchte erfolglos, ruhig und gefasst zu wirken. Die Kreatur im Büro schleppte sich wieder zum Fenster und starrte heraus; die stumpfen Augen wanderten unablässig von einem Gesicht zum anderen.
»Was um alles in der Welt macht ihr da?«, fragte Priest, kam wie ein schutzbedachter Vater auf den Trubel zugeeilt und drängte sich zum Glas vor. Jas fiel auf, dass die gefangene Leiche sich beinah zu entspannen schien, als sie ihn erblickte. Sofort wich die Kreatur zurück und kehrte in die Schatten zurück. Hatte sie Priest tatsächlich erkannt, oder war das bloß Einbildung gewesen?
»Nichts«, antwortete Harte, wobei er sich wie ein schuldbewusstes Kind anhörte, das bei etwas Verbotenem ertappt worden war.
»Lasst sie einfach in Ruhe«, fauchte Priest vor Wut schäumend und drehte sich den anderen Männern zu. »Sie ist wichtig. Der Tag, an dem sie endlich umfällt, ist der Tag, an dem wir wieder nach draußen können. Wir brauchen sie. Momentan kommen wir hier hervorragend zurecht, und wir brauchen keine Trottel wie euch, die das zunichte machen. Verstanden?«
Harte erwiderte nichts. Priest ließ ihm keine Gelegenheit dazu. Bevor er auch nur den Mund öffnen konnte, kehrte Priest ihm den Rücken zu und stürmte den Flur entlang davon.
33
»Du musst doch wenigstens einen beseitigt haben, oder?«
»Nein, noch nie.«
»Herrgott, es ist fast zwei Monate her, und du hast noch gegen keinen Einzigen gekämpft? Du hast dir nicht ein einziges Mal die Hände schmutzig gemacht?«
»Nein, hab ich dir doch gesagt. Hör mal, ich bin nicht stolz darauf. Ich wünschte, ich hätte da draußen sein können, statt hier festzusitzen, aber du hast ja gesehen, wie die hier sind. Dieser Haufen ist ängstlicher als ein Rudel Rehe.«
»Es tut gut, von Zeit zu Zeit ein paar zu beseitigen. Stokes und ich haben das Therapie genannt.«
»Therapie?«
»Gut für die Seele, gut für den Körper. Du solltest es mal versuchen.«
»Vielleicht machte ich das.«
»Dann komm mit.«
»Was? Jetzt?«
»Warum nicht? Hast du Angst?«
»Nein, ich denke bloß nicht, dass wir –«
»Jetzt komm schon, du elender Jammerlappen.«
Webb und Sean rannten den gewundenen Pfad entlang, der von der Vorderseite des Hotels wegführte, und schauten dabei angespannt über die Schultern zurück, um sich zu vergewissern, dass sie nicht gesehen worden waren. Es wäre einfacher gewesen, wenn sie sich mit dem Wissen der anderen hätten entfernen können, aber die würden bloß sinnlose Fragen stellen und versuchen, sie aufzuhalten. Sie würden es nicht verstehen. Webb wusste, was er tat. Dies war wichtig. Früher oder später würde Sean kämpfen müssen. Er gewöhnte sich besser jetzt daran als zu einem Zeitpunkt, an dem es wirklich darauf ankäme. Um genau zu sein, wollte Webb sich nicht an der Seite eines Anfängers wiederfinden, wenn es ums Ganze ginge.
»Mach mal langsam«, keuchte Sean. »Ich habe Seitenstechen.« Er war nervös, ihm war heiß, und ihm machte die plötzliche Anstrengung zu schaffen, nachdem er wochenlang herumgesessen und so gut wie nichts getan hatte. Zudem hatte Webb darauf bestanden, dass er so viele Kleiderschichten anzog, wie er finden konnte, was ihm zunehmendes Unbehagen bereitete. Webb grinste ihn ohne jedes Mitgefühl an.
»Du ziehst mir doch jetzt nicht den Schwanz ein, oder?«
»Nein, aber –«
»Dann komm«, schnitt er ihm das Wort ab und rannte weiter auf den Bus zu, der das Ende der Straße
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