Herbstbringer (German Edition)
Tyrannen, aus purer Langeweile zu Mord und Totschlag getrieben. Sie standen am Anfang ihrer Art, durch sie kamen die Vampire in die Welt. Dass die Bibel das ganz anders sah, war Michael einerlei. Es war nur eine von vielen Unwahrheiten auf diesen Seiten. Er hatte schließlich weder Flügel, noch hatte er es mit dem Teufel aufgenommen. Daran war ihm nicht gelegen. Ihm ging es einzig und allein um Macht. Für ihn stand außer Frage, dass sie diese Schreckensherrschaft wiederaufnehmen würden – wenn auch diesmal nur unter der Führung eines, des mächtigsten Erzengels.
Ihm.
Der Morgen graute. Michael wusste, dass es keinen weiteren mehr für den Herbstbringer geben würde.
Emily genoss es, einfach nur unter dem warmen Wasserstrahl zu stehen. Sie hatte kurzzeitig befürchtet, dass es in diesem Haus weder eine Dusche noch warmes Wasser geben und die Wirkung ihres Auftritts verpuffen würde.
Auch wenn Elias keinen genauen Plan hatte, wollte sie seine Gesellschaft und seinen Schutz nicht missen. Zwar hatte sie nur geblufft, als sie Elias damit gedroht hatte, abzuhauen, völlig ausschließen konnte sie es aber dennoch nicht. Sie war ihm zwar dankbar, dass er sie beschützen wollte, hatte jedoch mittlerweile den Eindruck, dass es ihm vor allem darum ging, sie von den anderen fernzuhalten.
Bei Jake wäre das ganz anders gewesen. Doch sie hatte nicht bei ihm bleiben können. Und hier war sie nicht willkommen. Wenn sich daran nicht bald etwas änderte, würde sie nicht bei Elias und seinen Verlorenen Jungs bleiben.
Das Quietschen einer alten Tür riss sie aus ihren Gedanken.
Hastig drehte sie das Wasser ab, verweilte aber im Schutz des blickdichten Duschvorhangs. »Ist da jemand?«, fragte sie unsicher. Nichts.
Unbeholfen angelte sie sich ihr Handtuch und wickelte sich darin ein. Als sie den Vorhang zur Seite zog, war das Bad leer.
Dann sah sie es.
Dafür wirst du bezahlen , stand auf dem Spiegel.
Man musste kein Privatdetektiv sein, um den Urheber dieser Botschaft zu ermitteln.
Wie als Beweis drangen laute Stimmen durch die Badezimmertür. Möglichst leise zog Emily die verräterisch knarrende Tür auf und schlich behutsam in den Flur.
»Warum machst du so einen Aufstand ihretwegen?« Elias’ Stimme schnitt wie eine Waffe durch die Luft.
Sie lachte höhnisch. »Das Gleiche sollte ich dich fragen. Was findest du nur an ihr? Sie ist ein kleines, schüchternes, nutzloses Ding …«
»Ach, darum geht es dir also?« Jetzt war es Elias, der herablassend klang. »Hätte ich mir ja denken können!«
»Was soll das heißen?«, schnappte sie. Emily spürte förmlich, wie Glöckchen die Fäuste ballte. »Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Und selbst wenn, wäre es mein gutes Recht. Sie gehört nicht hierhin, das hast du selbst gesagt. Und sie ist eine Gefahr für uns alle. Denk nicht, ich hätte es nicht gemerkt. Selbst mir ist aufgefallen, wie stürmisch es draußen geworden ist – rein zufällig nur in dieser Gegend. Verdammt, Elias, wir werden von Piranhas gejagt, und du schleppst einen blutenden Kadaver an!«
»Wie oft soll ich dir noch erklären, dass mir das alles bewusst ist?« Jetzt klang Elias wieder wie ein Lehrer, der einem besonders begriffsstutzigen Kind zum hundertsten Mal das Einmaleins beibringen muss. »Aber was hätte ich tun sollen? Sie in Woods End lassen, bis sie sich selbst verrät? Sie allein in London rumlaufen lassen, bis sie Michael in die Arme läuft? Ich weiß, wie riskant ihre Anwesenheit für uns ist, doch ich hatte keine andere Wahl. Bis die anderen kommen, müssen wir hier ausharren.«
»Die anderen«, spuckte sie ihm die Worte förmlich vor die Füße. »Wie lange redest du schon von diesen anderen? Und selbst wenn sie kommen: Wie viele werden tatsächlich auf unserer Seite stehen, wenn sie begreifen, dass sie es mit vier Vampirclans aufnehmen müssen?«
»Wie kannst du es wagen?«, grollte Elias. »Bilde dir nicht ein, dass du meine Pläne durchschaust oder das Recht hast, über unsere Vorgehensweise zu entscheiden. Wenn ich mich nicht irre, willst du etwas von mir, nicht umgekehrt!«
»Denkst du, du bist der Einzige, der mir das in Aussicht gestellt hat?«
Eine Tür knallte ins Schloss.
Emily huschte ins Badezimmer zurück. Viel länger als nötig kämmte sie sich die Haare. Es tauchten immer mehr Rätsel auf, und sie beschloss, sich deswegen nicht länger verrückt zu machen. Was auch immer sie über sich, ihre Vergangenheit oder ihre Tat erfuhr, hatte ausnahmslos zu
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