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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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Untergeschoss ins Wohnzimmer hinauf. Es wurde lauter und lauter, bis schließlich ein Knall ertönte, der Willie und Rufus erschreckt aufspringen ließ. Dann wurde die Tür mit solcher Wucht aufgestoßen, dass sie fast aus den Angeln flog.
    Kochend vor Wut stürmte ein blondes Mädchen in den Raum. Dass sie selbst in diesem Zustand körperlicher Anspannung völlig blass blieb, machte Emily sofort klar, dass sie auch eine Untote war. Dicht hinter ihr folgte Elias.
    »Es ist mir verflucht noch mal egal, wer sie ist!«, schrie das Mädchen. »Ich weiß, was sie ist, und das reicht mir. Seid ihr denn völlig übergeschnappt, sie hierherzubringen? Da könnt ihr ja gleich bei den Engeln anklopfen.«
    »Erzähl mir nichts von Risiken!«, donnerte Elias. »Es war damals auch ein Risiko, dich aus den Fängen dieser blutrünstigen Bestien zu befreien. Und doch warst du froh, dass es jemand für dich eingegangen ist.«
    »Als könnte man das vergleichen«, schnappte sie. Sie würdigte Emily keines Blickes. »Bei mir stand wohl etwas weniger auf dem Spiel als das Ende der Welt.«
    »Aber genau darum geht es doch!«
    Emily machte sich auf dem Sofa so klein wie möglich.
    »Wieso siehst du nicht ein, dass wir die Möglichkeit haben, dieses ganze Theater zu beenden? Du solltest froh sein, dass ich sie gefunden habe, auch um deiner selbst willen!«
    Sie hätte nicht gedacht, dass Elias so explodieren konnte. Er schäumte vor Wut.
    »Pah!«, spuckte das Mädchen aus. »Ich verzichte. Ich schlag mich lieber allein durch, als diesen Fluch auf mir zu haben!«
    »Du …« Elias rang nach Worten. »Du undankbares Ding!«
    »Wir werden ja sehen, wer recht hatte«, sagte sie mit einer Kälte in der Stimme, die bestimmt ganze Kontinente einfrieren konnte. Dann warf sie Emily einen vor Verachtung geradezu berstenden Blick zu und stürmte die Treppe hinauf.
    »Das«, sagte Willie leise, als Elias ohne weiteren Kommentar das Wohnzimmer verlassen hatte, »ist Glöckchen.«
    Obwohl sie sich nicht länger unter der Erde befand, hatte Emily das Gefühl, eine große Last auf sich zu spüren. Nicht genug damit, dass sie die meistgesuchte Vampirin dieser Welt und Ursache eines Krieges ohne eindeutigen Sieger war. Jetzt hatte sie auch noch Ärger und Zwietracht unter denen gesät, die ihr eigentlich helfen wollten. Unabsichtlich natürlich, doch das tröstete sie wenig. Sie hatte Woods End verlassen, um das Leben jener, die sich um sie sorgten, nicht zu gefährden. Nun hatte sie genau dies bei ihren wohl einzigen Vertrauten in dieser Stadt getan.
    Die nächsten Stunden verbrachte sie grübelnd auf dem Sofa. Glöckchen ließ sich ebenso wenig blicken wie Elias, was ihr im Moment sogar recht war. Irgendwann beschlossen Rufus und Willie, sich anderweitig nach Unterhaltung umzusehen und die Nacht nicht neben Ambrose und Emily zu verbringen, die gemeinsam eine solide Mauer des Schweigens bildeten.
    Unerwartet senkte Ambrose die Zeitung. »Aah«, seufzte er erleichtert und holte sich ein Buch aus dem zweckentfremdeten Kamin. Verwundert blickte Emily auf den Einband – es war Beowulf – und dann in Ambroses Gesicht. »Schauspieler in allen Ehren, aber wenn du so viel Zeit in ihrer Gesellschaft verbringen müsstest wie ich, würdest du auch automatische Schutzmechanismen entwickeln. Versuche mal, ein Werk wie dieses hier in ihrer Gegenwart ungestört zu lesen.«
    »Oje«, sagte Emily mitfühlend. »Ich kann es mir lebhaft vorstellen. Überflüssige Zwischenkommentare …«
    »… unqualifizierte Fragen, improvisierte Theaterdarstellungen der Handlung und lautstarkes Debattieren über die angeblichen Schwächen eines sowieso nicht existenten Drehbuchs, genau«, vollendete Ambrose den Satz augenrollend.
    »Und doch lebst du hier mit ihnen seit …«
    »Seit etwa vierzig Jahren. Ja, ich weiß. Was man nicht alles tut.«
    »Du bist also auch ein Aufsteiger?«
    Er nickte. Weiter schien er auf dieses Thema nicht eingehen zu wollen.
    »Und Glöckchen?«
    Ambrose lächelte, doch seine Züge zeigten keine Belustigung. »Nomen est omen«, sagte er leise.
    Das sah Emily genauso. Es war gruselig, wie gut ihr erster Eindruck auf die tückische Fee Glöckchen und ihr Verhalten gegenüber Wendy passte. Sponn man diese Geschichte konsequent weiter, blieb tatsächlich nur Elias als möglicher Peter Pan übrig. Emily überlegte. Konnte es sein, dass dieses wutentbrannte Mädchen nur eifersüchtig war und die anderen Gründe lediglich vorgeschoben hatte? Aber

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