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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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unterstreichen, packte Willie ihre Hand und presste sie sich an die Brust. Er blickte sie erwartungsvoll an. »Nichts zu spüren, was?«
    »Na, kein Wunder, so kalt wie unsere Hände sind, müsste da schon Eiswasser durchfließen.«
    »Goldrichtig, alter Knabe«, gluckste Willie. »Wie dem auch sei: Einst waren wir Untote, gepeinigte Seelen in Erwartung des ewigen Höllenfeuers. Obwohl ich Rufus zustimmen muss, dass wir das nicht verdient hatten. Unser Ensemble mag nicht das beste gewesen sein, aber das konnte man von The Rivals auch nicht sagen. Ein langweiliges Stück. Kein Wunder, dass das Theater 1900 abgebrannt ist. Die Inszenierungen waren schlichtweg beschämend.«
    Rufus übernahm Willies pathetischen Tonfall. »Und dann kam Elias. Er befreite uns aus den lichtlosen Tiefen der Stadt unter der Stadt und gab uns Hoffnung.«
    »Das kannst du laut sagen! Fortan waren wir Aufsteiger, und eines Tages werden wir Vampire sein.«
    »Vampire!«, wiederholte Rufus mit glänzenden Augen.
    »Moment mal!« Emily hob die Hände und unterbrach erfolgreich den konstanten Wortstrom. Fragend richtete sie sich an Elias. »Was sind Aufsteiger?«
    »Untote, die nach besonderen Diensten in unseren Kreis aufgenommen werden. Lass mich erklären: Neben uns Vampiren gab es immer auch Untote. Wesen, die nicht von Natur aus vampirischer Abstammung sind, so wie es bei uns der Fall ist, sondern erst durch einen Zwischenfall von ihrer menschlichen Existenz ablassen. Während wir einen Herzschlag und Blut in den Adern haben, wie du zweifellos bereits festgestellt hast, handelt es sich bei ihnen um tatsächliche Untote, die dem Vampirbild der Legenden am nächsten kommen. Ein Biss unserer Art und ein Schluck von unserem Blut hat sie zu dem gemacht, was sie sind. Sie hingegen können Menschen mit ihren Bissen nicht verwandeln.«
    »Wohl können wir das. Bei uns beschränkt es sich allerdings auf eine Verwandlung von lebendig in tot«, stellte Rufus fest.
    »Außerdem haben wir nichts gegen Knoblauch«, kicherte Willie.
    »Und warum wollt ihr unbedingt Vampire werden?«, fragte sie die beiden, die während Elias’ Vortrag zustimmend genickt hatten.
    »Verständliche Frage«, antwortete Rufus. »Vor allem von Ihnen, werte Dame. Bei Ihrer Vergangenheit …«
    »Haargenau. Und berechtigt noch dazu. Sie haben allen Grund, schlecht über Vampire zu denken. Wir Untoten sind jedoch ein noch schlimmerer Haufen. Gefürchtet von den Menschen, verachtet von den meisten Vampiren, verdammt zu einem Leben als Abschaum in den Katakomben der Stadt. Und dann dieser Durst. Glauben Sie mir: Ich weiß, wie der Wunsch, ein Vampir zu werden, auf Sie wirken muss. Doch ich versichere Ihnen, dass sich die Dinge in den Jahren nach Ihrer mutigen Tat gewaltig geändert haben. Und das ist Ihnen zu verdanken.«
    »Wem sagst du das.« Emily weigerte sich weiterhin, diesen Kerl ebenfalls zu siezen. Mittlerweile war sie sicher, dass die beiden nur eine – immerhin amüsante – Show für sie abzogen. »Meinetwegen herrscht Krieg. Und die ganze Vampirwelt verfolgt mich. Ganz toll.«
    »Nun, das ist bedauerlicherweise wahr.« Rufus übernahm wieder das Zepter. »Und auch wieder nicht: Es ist nicht wahr, dass die ganze Vampirwelt Sie verfolgt. Schauen Sie sich doch hier nur um: Herr Elias, Willie, ich – wir alle sind hier mit Ihnen. Und wir sind nicht die Einzigen.«
    »Genau deswegen habe ich dich hergebracht«, ergriff Elias wieder das Wort. »Es mag riskant sein, dass du dich direkt in London aufhältst. Aber hier bist du wenigstens nicht allein. Wir werden dich beschützen.«
    Willie und Rufus nickten entschlossen.
    Emily räusperte sich. »Das … das bedeutet mir wirklich sehr viel. Es tut gut zu wissen, dass es dort draußen mehr gibt als Menschen, die mich nicht verstehen, und Vampire, die mich bis aufs Blut hassen. Aber bitte nehmt es mir nicht übel, wenn ich euch fragen muss, wie genau ihr mich beschützen wollt. Ich meine, was haben wir jetzt vor?«
    »Was denn, reicht das, was wir gerade tun, nicht?«, fragte Willie verwundert und tauschte ihr leeres Glas dezent gegen ein volles.
    Elias bedachte den Untoten mit einem stechenden Blick. Der senkte beschämt den Kopf. »Draußen ist der Tag angebrochen. Das verringert die Gefahr für die nächsten Stunden. Es sind die Nächte, die uns Sorgen machen. Wir treffen uns bei Sonnenuntergang wieder hier. Bis dahin habe ich mir etwas überlegt. Schaffst du das allein?«
    Emily versuchte sich an einem selbstsicheren Nicken.

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