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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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»Ich gehe in ein Museum, oder in eine Bibliothek.«
    Ihre beiden neuen Bekannten erhoben sich. Willie blickte traurig in sein leeres Glas. »Eine ausgezeichnete Wahl«, bemerkte Rufus anerkennend und signalisierte seinem Kumpan, dass es Zeit war, zu gehen. Er deutete eine Verbeugung an. »Hat uns außerordentlich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wir verabschieden uns jetzt vom Antlitz dieser Welt.«
    Willie fiel hektisch in die Verbeugung ein und ergänzte: »Und erwarten Sie zum Anbeginn der Nacht in unserer bescheidenen Hütte.«
    Emily sah den beiden gackernden und kichernden Kerlen nach, die rumblödelten wie Schuljungen in der großen Pause. Irgendwo hinter der Theke öffneten sie eine bislang verborgene Tür. Aus dem dunkel klaffenden Loch drangen stampfende Beats und dröhnendes Scheppern. Sie zog eine Augenbraue hoch und fixierte Elias mit einem Blick.
    »Das ist tatsächlich unser Nachhauseweg«, sagte er.
    »Und wo ist dieses Zuhause?«
    »Das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Es wäre zu gefährlich. Ich habe dir doch bereits gesagt, dass Gedanken eine furchtbare Macht innewohnt.«
    »Und meinen ganz besonders, ich weiß«, seufzte Emily. Es war sehr unbefriedigend, so viel zu wissen und doch so wenig zu begreifen. »Und deshalb lässt du mich jetzt den ganzen Tag allein?«
    »Ich weiß, dass das alles sehr fremd und frustrierend für dich sein muss.« Elias ergriff zaghaft ihre Hand. Sie widerstand dem ersten Impuls und zuckte nicht zurück. Nach den eiskalten Fingern von Rufus und Willie tat es gut, etwas Wärme zu spüren. »Und glaub mir: Ich bewundere dich zutiefst. Allein, dass du nach London gekommen bist, hat großen Mut erfordert.«
    »Oder große Dummheit«, sagte Emily leise.
    Elias hörte es nicht. Er stand auf und schaute sie bedächtig an. »Dir wird bei Tag nichts passieren. Nicht, wenn du dich unter Menschen aufhältst und kein Blut trinkst. Doch ich nehme an, dass du eh nicht auf diesen Gedanken kommen wirst.«
    »Nicht unbedingt, nein.«
    »Warte hier auf mich. Und wundere dich nicht, wenn dieser Ort heute Abend anders ist.« Er schritt in Richtung Bar, überlegte es sich dann anders und kehrte noch mal um. Große Anspannung war tief in sein Gesicht gegraben. »Du musst eines über Vampire wissen«, zischte er leise, nachdem er sich umgesehen hatte, ob sie auch wirklich allein waren. »Sie kennen keine Liebe. Sie sind unfähig, Mitleid zu empfinden. Und mögen sie auch noch nicht wissen, wer du bist, wissen sie doch, dass du irgendwo bist. Sie liegen auf der Lauer, Emily, und warten auf einen Fehler.«
    »Einen Fehler wie, dass ich plötzlich doch Blutdurst entwickele?«
    Elias nickte ernst. »Das mag sich für dich absurd anhören. Aber du musst bedenken, dass Vampire nicht so denken wie du. Sie kämen nicht im Traum auf die Idee, dass man nicht so sein will wie sie. Sie gehen fest davon aus, dass du wieder zu dem werden wirst, was du einmal warst.«
    »Obwohl ich mich dagegengestellt habe?«
    Für einen verschwindend kurzen Moment glitt Schmerz über seine Züge. Dann hatte er sich wieder gefangen. »Ja. Es herrscht Einigkeit darüber, dass du dem Ruf des Blutes nicht widerstehen wirst. Nicht, weil du es zum Überleben brauchst, wie es bei Untoten der Fall ist. Sondern weil es in deiner Natur liegt.«
    Er bemerkte ihren entsetzten Blick und seufzte. »Ganz recht. Rufus und Willie sind auf Blut angewiesen. Aber keine Sorge: Sie pflegen Menschen nicht zu töten.«
    Emily zog es vor, dies nicht zu kommentieren. »Und warum sollten diese Kräfte in mir schlummern?«
    »Weil so etwas vor dir noch niemals passiert ist. Man entscheidet sich nicht einfach so gegen sein Dasein als Vampir. Welche Kräfte auch immer in dir schlummern mögen und auf ihre Freisetzung warten, ist aber zunächst zweitrangig. Solange sie nicht zum Vorschein kommen, bist du nicht so sehr in Gefahr. Doch Vampire sind ebenso verschlagen wie eingebildet: Sie werden alles tun, um dich in eine Falle tappen zu lassen. Und was immer dein Geheimnis ist: Sie sind entschlossen, es dir zu entlocken. Pass also gut auf dich auf.« Damit küsste er sie sanft auf die Stirn und war mit schnellen Schritten durch die Geheimtür hinter der Theke verschwunden. Die eine Frage, die Emily während Elias’ flammendem Plädoyer über die Vampire die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte, blieb somit weiter unbeantwortet.
    Warum bist du so anders?

    Das Arbeitszimmer roch nach Rauch und verbranntem Fleisch. Vor Michaels

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