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Herbstbringer (German Edition)

Herbstbringer (German Edition)

Titel: Herbstbringer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Björn Springorum
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vermisst.«
    »Aber es ist doch noch gar nicht ganz dunkel!«, erwiderte Emily verwundert und ohne sich etwas anmerken zu lassen.
    Rufus winkte ab. »Dunkel genug, was, Willie?«
    »Absolut ausreichend für unsere Ansprüche. Wir mögen nur das Tageslicht nicht zu sehr.«
    Mochten ihre beiden ungewöhnlichen Begleiter anderswo noch so auffallen: Hier passten sie sehr gut ins Bild und erregten nicht das geringste Aufsehen. Und das, obwohl sie sich beide jede Menge schwarzer Theaterschminke um die Augen geschmiert hatten, was im Kontrast zu ihrer bleichen Haut durchaus erschreckend wirken konnte.
    Rufus bemerkte ihren Blick. »Schön, was? Wir haben uns extra herausgeputzt. Kommt nicht alle Tage vor, dass wir uns so früh hier herumtreiben.« Er ließ den Blick schweifen. »Ziemlich viel los.«
    »Der reinste Hexenkessel«, ließ sich Willie nickend vernehmen. »Früher war das nicht so.«
    »Nein, nein.«
    Einen Moment schienen die beiden in Gedanken versunken, dann erhellte sich Willies Gesicht wieder. »Kann’s losgehen?«, fragte er Emily.
    »Ich denke, ja«, erwiderte sie. Sie hätte viel darum gegeben, zu wissen, was sie erwartete.
    »Na prima, dann nichts wie raus aus diesem Irrenhaus. Das ist mir alles nicht geheuer hier. Ich bin überzeugt davon, sehr tolerant zu sein, doch wenn es nach mir ginge, würde ich manche Haarfarbe verbieten«, kommentierte Rufus naserümpfend die eindrucksvoll neongrüne Stachelfrisur einer jungen Frau, die ihm zur Antwort einen angesäuerten Blick zuwarf. Kaum fünf Minuten in Gesellschaft dieser hoffnungslos veralteten Querköpfe, und schon musste sie schmunzeln.
    Sie nahmen Emily in ihre Mitte und steuerten das World’s End an. Dabei schnatterten sie derart ungezügelt drauflos, dass Emily sich unweigerlich fragte, ob die beiden sonst nie redeten und sich diese Chance jetzt keinesfalls entgehen lassen wollten. Sie hatte Mühe, den sprudelnden Worten zu folgen.
    »Hatten Sie einen schönen Tag?«, fragte Willie nach einer Weile, und für einen Moment war der Redefluss gnädigerweise unterbrochen.
    »Er war okay«, erwiderte sie. Sollte sie ihnen von ihrer Vision vor dem Comicladen erzählen? Sie entschied sich dagegen. »Und ihr?«, fragte sie stattdessen. »Was macht ihr den ganzen Tag?« Sie bereute die Frage augenblicklich. Wollte sie wirklich wissen, womit Untote ihre Tage zubrachten? Elias hatte zwar beteuert, dass sie keine Menschen töteten. Das hieß aber nicht, dass sie nicht ihr Blut tranken.
    »Oh, jede Menge, wertes Fräulein.«
    »Kein Tag gleicht dem anderen.«
    »Es gibt immer etwas zu tun.«
    »Ich habe heute schon in einem Buch gelesen und eine Tasse Tee zubereitet«, erzählte Willie stolz.
    »Willie übertreibt gerne, müssen Sie wissen. Er eifert gerne dem Vater dieses kleinen Görs Alice nach, der ja bekanntlich schon vor dem Frühstück an sechs unmögliche Dinge zu denken pflegte. Nein, nein, das ist nichts für mich«, beteuerte Rufus. »Ich für meinen Teil gehe es gerne weniger hektisch an. Heute habe ich Zeitung gelesen. Kaum zu glauben, was in dieser Welt alles passiert.«
    Emily zog es vor, Rufus nicht darauf hinzuweisen, wie seltsam so eine Bemerkung aus dem Mund eines seit hundertfünfzig Jahren toten Schauspielers klang.
    Vor dem World’s End hatte sich bereits eine beachtliche Schlange gebildet. »Irgendein seltsames Konzert in dieser teuflischen Örtlichkeit nebenan. Das reinste Affentheater«, bemerkte Willie mit gespitzten Lippen, als sie die Schlange passierten. Auch hier bestimmten extreme Outfits, wirr gestylte Haare und eine Menge Gesichtsschmuck das Bild. »Elias hält es für besser, wenn wir den Hintereingang nehmen.«
    »Wo ist Elias eigentlich?«, fragte sie, als sie um das Gebäude herumliefen. Die quirlige Art ihrer beiden Begleiter hatte sie vorübergehend vergessen lassen, dass sie fest mit seinem Auftauchen gerechnet hatte.
    Willie schlug sich gegen die Stirn. »Wie unhöflich von uns. Da waren wir wohl etwas zu aufgeregt.«
    »Zweifellos. Etwas zu aufgeregt«, stimmte Rufus weise nickend zu.
    »Elias lässt sich entschuldigen. Er hat noch etwas Dringendes zu erledigen und tut sein Möglichstes, so schnell wie möglich zu uns zu stoßen.«
    Vor dem Hintereingang in einer engen Nebengasse drehte sich Rufus zu ihr um und setzte ein betretenes Gesicht auf. »Bis dahin müssen Sie wohl mit uns vorliebnehmen, fürchte ich. Mögen Sie Bridge? Wir lieben Bridge!«
    Bevor Emily erwidern konnte, dass sie keinen blassen Schimmer hatte,

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