Herbstfeuer
„wenn sie nicht sofort die Tür öffnet!“
„Mylord, bitte …“
Er trat drei oder vier Schritte zurück und warf sich gegen die Tür, die in ihren Angeln bebte und mit einem splitternden Geräusch ein Stück weit nachgab. Aus dem Gang waren die angstvollen Schreie einiger weiblicher Gäste zu hören, die zufällig diesem zornigen Ausbruch beiwohnten. „Liebe Güte“, rief eine Dame aus, „er ist verrückt geworden!“
Wieder trat Marcus zurück und warf sich gegen die Tür, diesmal flogen einige Holzstücke durch die Luft. Er fühlte, wie Simon Hunt ihn von hinten packte, und fuhr mit geballten Fäusten herum, bereit zum Kampf an allen Fronten.
„Himmel!“, murmelte Hunt und wich mit abwehrend erhobenen Händen ein paar Schritte zurück. Seine Miene war angespannt, und aus großen Augen sah er Marcus an, als wäre der ein Fremder. „Westcliff …“
„Zum Teufel, geh mir aus dem Weg!“
„Mit Vergnügen. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass im umgekehrten Falle du der Erste wärest, der mir riete, einen kühlen …“
Ohne ihn zu beachten, wandte Marcus sich wieder der Tür zu und zielte mit einem kräftigen Tritt auf das Schloss.
Der Schrei des Hausmädchens hallte durch den Gang, als die Tür aufschwang. Marcus stürmte in das Empfangszimmer und dann weiter zum Schlafgemach, wo die Countess in einem Stuhl vor dem kleinen Kaminfeuer saß. Komplett angezogen und mit Perlenketten behängt, sah sie ihn halb belustigt, halb missbilligend an.
Schwer atmend ging Marcus auf sie zu, er fühlte, wie der Blutdurst durch seine Adern pulsierte. Offensichtlich ahnte die Countess nicht, dass sie in Lebensgefahr schwebte, sonst hätte sie ihn nicht so gelassen empfangen.
„Heute voller animalischer Triebe?“, fragte sie. „Ihr Abstieg vom Gentleman zum Wilden hat sich sehr rasch vollzogen. Ich muss Miss Bowman meine Bewunderung aussprechen für ihre schnellen Erfolge.“
„Was haben Sie ihr angetan?“
„Ihr angetan?“ Mit gespielter Unschuld sah sie ihn an. „Was zum Teufel meinen Sie damit, Westcliff?“
„Heute Morgen trafen Sie sich mit ihr im Garten der Schmetterlinge.“
„So weit entferne ich mich niemals vom Haus“, erwiderte die Countess hochnäsig. „Was für eine lächerliche …“
Sie stieß einen Schrei aus, als Marcus sie packte, die Perlenketten um seine Finger schlag und sie fest um ihren Hals zog.
„Sagen Sie mir, wo sie ist, oder ich breche Ihnen das Genick, als wäre es ein Stück Holz.“
Wieder packte ihn Simon Hunt von hinten, fest entschlossen, ihn daran zu hindern, einen Mord zu begehen.
„Westcliff!“
Marcus zog die Perlen fester. Ohne zu blinzeln, sah er seiner Mutter in die Augen. Der triumphierende Ausdruck darin entging ihm nicht. Er wandte den Blick nicht ab, nicht einmal, als er die Stimme seiner Schwester Olivia hörte.
„Marcus“, drängte sie, „Marcus, hör mir zu! Du hast meine Erlaubnis, sie später zu erdrosseln. Ich würde dir sogar helfen. Aber warte wenigstens, bis wir herausgefunden haben, was sie getan hat.“
Marcus zog die Perlen noch ein Stück fester, bis die Augen der älteren Frau aus den Höhlen zu treten schienen.
„Sie sind für mich nur insofern von Wert“, sagte er leise, „als Sie wissen, wo Lillian Bowman ist. Wenn ich das nicht von Ihnen erfahre, schicke ich Sie zum Teufel. Sagen Sie es mir, oder ich werde es aus Ihnen herauspressen.
Und glauben Sie mir – in mir ist so viel von meinem Vater, dass ich das ohne Zögern tun könnte.“
„O ja, Sie tragen ihn in sich“, erwiderte die Countess mit heiserer Stimme. Sobald er den Griff an der Kette lockerte, lächelte sie böse. „Wie ich sehe, ist jeder Versuch so zu tun, als wären Sie vornehmer, besser und weiser als Ihr Vater, endlich erloschen. Diese Bowman hat Sie vergiftet ohne …“
„Jetzt!“, brüllte er.
Zum ersten Mal erschien ein unbehaglicher Ausdruck in ihrem Gesicht, obwohl sie nicht weniger selbstgefällig wirkte. „Ich gebe zu, ich habe Miss Bowman heute Morgen im Garten der Schmetterlinge getroffen – wo sie mir von ihrer Absicht erzählte, mit Lord St. Vincent davonzulaufen. Sie hatte beschlossen, mit ihm durchzubrennen.“
„Das ist eine Lüge!“, rief Livia empört, während von der Tür her eine Reihe aufgeregter Frauenstimmen zu vernehmen waren – die Mauerblümchen, die diese Behauptung heftig zu verneinen schienen.
Marcus ließ die Countess los, als hätte er sich verbrannt. Zuerst empfand er eine unmäßige
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