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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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immer so zu sitzen schienen, wie es sich gehörte. Derzeit trug Lillian ihr Haar im Nacken zurückgebunden, sodass es lose herabfiel in einer Weise, die in Gesellschaft niemals toleriert worden wäre.
    „Wie können wir Westcliff dazu überreden, seine Mutter zu unserem Fürsprecher zu machen?“, fragte Daisy. „Es ist recht unwahrscheinlich, dass er jemals damit einverstanden wäre.“
    Lillian holte aus und warf den Stock weit in den Wald hinein. Dann rieb sie sich die Rindenstücke von den Handflächen. „Ich habe keine Ahnung“, gestand sie. „Annabelle hat versucht, Mr. Hunt dazu zu bringen, für uns nachzufragen, aber er weigert sich mit dem Argument, das wäre ein Missbrauch ihrer Freundschaft.“
    „Wenn wir nur Westcliff auf irgendeine Weise dazu überreden könnten“, meinte Daisy. „Ihn überlisten, erpressen oder sonst etwas.“
    „Du kannst einen Mann nur erpressen, wenn er etwas getan hat, das er zu verbergen sucht. Und ich bezweifle, dass der langweilige alte Westcliff jemals etwas getan hat, mit dem man ihn erpressen könnte.“
    Daisy lachte leise. „Er ist weder langweilig noch alt.“
    „Mutter sagt, er ist mindestens fünfunddreißig. Ich halte das für ziemlich alt. Du nicht?“
    „Ich bezweifle, dass die meisten Männer in den Zwanzigern so gut in Form sind wie Westcliff.“
    Wie immer, wenn sich das Gespräch um den Earl of Westcliff drehte, fühlte sich Lillian herausgefordert, so ähnlich wie als Kind, wenn ihre Brüder ihre Lieblingspuppe über ihren Kopf hinweg einander zugeworfen hatten, hin und her, immer wieder, während sie weinte und darum bettelte, sie ihr zurückzugeben. Warum jede Erwähnung des Earls eine solche Wirkung auf sie hatte, war eine Frage, auf die es keine Antwort gab. Mit einem Achselzucken tat sie Daisys Bemerkung ab.
    Als sie sich allmählich dem Haus näherten, hörten sie fröhliches Rufen, gefolgt von Jubelschreien, die sich anhörten, als würden Kinder spielen. „Was ist das?“, fragte Lillian und spähte hinüber zu den Stallungen.
    „Ich weiß es nicht, aber es hört sich an, als hätte jemand sehr viel Spaß. Lass uns nachsehen.“
    „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, warnte Lillian. „Wenn Mutter entdeckt, dass wir fort sind …“
    „Wir werden uns beeilen. Ach bitte, Lillian!“
    Während sie noch zögerten, erschollen vom Stallhof her weitere Rufe und dann lautes Gelächter, was so im Gegensatz zu der friedvollen Stille stand, die sie umgab, dass Lillians Neugier die Oberhand gewann. Sie lächelte Daisy übermütig zu. „Machen wir einen Wettlauf“, rief sie und spurtete los.
    Daisy raffte ihre Röcke und sprang ihr nach. Obwohl ihre Beine wesentlich kürzer waren als Lillians, bewegte sie sich so leicht und schnell wie ein Reh, und bis sie die Stallungen erreichten, hatte sie ihre Schwester beinahe eingeholt. Schwer atmend von der Anstrengung, ging Lillian um einen ordentlichen kleinen Zaun herum und sah eine Gruppe von fünf Jungen im Alter zwischen zwölf und sechzehn, die auf dem kleinen Platz gleich dahinter spielten. Ihre Kleidung kennzeichnete sie als Stalljungen, und sie liefen barfuß.
    „Siehst du das?“, fragte Daisy eifrig.
    Lillian betrachtete die Gruppe und bemerkte, dass einer der Jungen einen langen Weidenstock in die Luft hielt. Sie lachte vor Entzücken. „Sie spielen Baseball!“
    Obwohl das Spiel, das mit einem Schläger, einem Ball und vier Markierungen gespielt wurde, sich sowohl in England als auch in Amerika einiger Beliebtheit erfreute, war es vor allem in New York populär. Jungen und Mädchen aller Klassen spielten es, und Lillian erinnerte sich voll Sehnsucht an so manches Picknick, das mit einem gemeinsamen Baseballspiel endete. Nostalgische Erinnerungen erfüllten sie, während sie einem Stalljungen zusah, der um ein Holz herumlief. Es war offensichtlich, dass das Feld zu diesem Zweck häufig genutzt wurde, denn man hatte die Markierungspfosten tief in den Boden geschlagen, und die Stellen dazwischen waren so weit niedergetrampelt, dass dort kein Gras mehr wuchs. In einem der Spieler erkannte Lillian den Jungen wieder, der ihr den Schläger geliehen hatte für das so unglückliche Spiel der Mauerblümchen vor zwei Monaten.
    „Glaubst du, sie lassen uns mitspielen?“, fragte Daisy hoffnungsvoll. „Nur ein paar Minuten?“
    „Ich wüsste keinen Grund, warum sie es nicht tun sollten. Der rothaarige Junge – er hat uns damals den Schläger geliehen. Ich glaube, er heißt Arthur …“
    In diesem

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