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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Westcliffs Erscheinungsbild stets makellos gewesen. Jetzt jedoch war sein dichtes schwarzes Haar vom Wind zerzaust, und er benötigte dringend eine Rasur.
    Seltsamerweise bewirkte sein Anblick, dass Lillian weiche Knie bekam und ihr ein Schauer über den Rücken lief.
    Obwohl sie ihn nicht mochte, musste sie zugeben, dass Westcliff ein außerordentlich attraktiver Mann war. Manche seiner Züge wirkten zu flächig, andere zu streng, doch wohnte ihm eine wilde Schönheit inne, gegen die andere gut aussehende Männer farblos wirkten. Nur wenige besaßen diese Männlichkeit und eine Charakterstärke, die man unmöglich übersehen konnte. Er war der geborene Anführer – es war nicht nur offensichtlich, dass er sich in dieser Rolle außerordentlich wohlfühlte, sondern man konnte ihn sich auch gar nicht in einer untergeordneten Position vorstellen. Lillian, die daran gewöhnt war, Autoritäten eine Nase zu drehen, sah in ihm eine unwiderstehliche Herausforderung. Nur wenige Momente in ihrem Leben waren ihr so befriedigend erschienen wie jene, in denen es ihr gelungen war, ihn zu ärgern.
    Westcliff ließ seinen prüfenden Blick von ihrem offenen Haar über ihre Gestalt gleiten, die von keinem Korsett eingezwängt war, sodass er die Umrisse ihrer Brüste erkennen konnte. Lillian fragte sich, ob er sie wohl in aller Öffentlichkeit schelten würde, weil sie mit den Stalljungen Ball gespielt hatte, und erwiderte seinen prüfenden Blick. Sie versuchte, ihn verächtlich anzusehen, doch das fiel ihr nicht leicht im Angesicht seines sehnigen, athletischen Körpers, der ihr ein beunruhigendes Gefühl in der Magengrube verursachte. Daisy hatte recht gehabt – es wäre nicht einfach, wenn nicht sogar unmöglich, einen jüngeren Mann zu finden, der es mit Westcliffs männlicher Kraft aufnehmen könnte.
    Ohne den Blick von Lillian abzuwenden, stieß er sich von dem Zaun ab und kam auf sie zu.
    Sie rührte sich nicht. Für eine Frau war sie groß, beinahe so groß wie er, doch Westcliff überragte sie immer noch ein Stück, und zweifellos war er stärker als sie. Sie sah ihm in die Augen, die von so dunklem Braun waren, dass sie beinahe schwarz wirkten.
    Seine Stimme klang tief und samtweich. „Sie sollten die Ellenbogen an den Körper legen.“
    Lillian, die sich gegen Kritik gewappnet hatte, war überrascht. „Wie bitte?“
    Der Earl senkte den Blick, und sie sah seine dichten Wimpern, während er den Schläger in ihrer Hand betrachtete.
    „Ziehen Sie die Ellenbogen ein. Dann können Sie den Schlag besser kontrollieren.“
    Lillian runzelte die Stirn. „Gibt es irgendein Gebiet, auf dem Sie kein Fachmann sind?“
    In den Augen des Earls erschien ein Ausdruck von Belustigung. Er tat so, als würde er intensiv über diese Frage nachdenken. „Ich kann nicht pfeifen“, erklärte er dann. „Und meine Treffsicherheit mit einem Trebuchet ist recht mäßig. Ansonsten …“ Hilflos hob der Earl die Hand, als fiele ihm keine andere Aktivität ein, in der er es nicht zur Meisterschaft gebracht hatte.
    „Was ist ein Trebuchet?“, fragte Lillian. „Und was meinen Sie damit – Sie können nicht pfeifen? Jeder kann pfeifen.“
    Westcliff spitzte die Lippen und blies Luft hindurch, völlig geräuschlos. Sie standen so nahe beieinander, dass Lillian seinen Atem an ihrer Stirn fühlte. Überrascht blinzelte sie, betrachtete seinen Mund, dann seinen Hals, da, wo seine gebräunte Haut unter dem Hemd zu sehen war.
    „Hören Sie? Nichts. Ich habe es jahrelang versucht.“
    Es ging Lillian durch den Kopf, ihm zu raten, fester zu blasen und die Zungenspitze gegen die untere Zahnreihe zu pressen – aber irgendwie erschien es unpassend, Westcliff gegenüber das Wort Zunge zu erwähnen. Stattdessen sah sie ihn stumm an und zuckte zusammen, als er ihre Schultern umfasste und sie behutsam zu Arthur herumdrehte.
    Den Ball in der Hand, stand der Junge ein paar Meter entfernt und beobachtete den Earl mit einer Miene, die eine Mischung aus Staunen und böser Vorahnung ausdrückte.
    Lillian befürchtete, Westcliff würde die Jungen maßregeln, weil sie sie und Daisy mitspielen ließen, und sagte unbehaglich: „Arthur und die anderen – es war nicht ihre Schuld. Ich habe sie überredet …“
    „Das bezweifle ich nicht“, ließ sich der Earl hinter ihrer Schulter vernehmen. „Vermutlich ließen Sie ihnen keine Möglichkeit abzulehnen.“
    „Sie werden sie nicht bestrafen?“
    „Weil sie in ihrer Freizeit Baseball spielen? Wohl

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