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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Augenblick kam ein langer Ball auf den Schlagmann zu, der geschickt ausholte. Die flache Seite des Schlägers traf auf das Leder, und der Ball flog direkt auf sie zu. Lillian stürmte nach vorn und fing ihn mit bloßen Händen auf, dann warf sie ihn dem Jungen zu, der am ersten Mal stand. Im Reflex griff er danach, starrte sie dabei aber verblüfft an. Als die anderen Jungen die beiden jungen Frauen bemerkten, hielten sie verunsichert inne.
    Lillian ging auf sie zu und suchte den Blick des Rothaarigen. „Arthur? Erinnerst du dich an mich? Ich war im Juni hier. Du hast uns den Schläger geliehen.“
    Die verwirrte Miene des Jungen hellte sich auf. „O ja, Miss – Miss …“
    „Bowman.“ Lillian deutete auf Daisy. „Und das ist meine Schwester. Wir haben uns gerade gefragt – ob wir wohl mitspielen dürfen? Nur ganz kurz.“
    Schweigen breitete sich aus. Lillian begriff, dass es eine Sache war, ihr einen Schläger zu leihen, aber eine andere, sie in das Spiel mit den anderen Stalljungen einzubeziehen. „Wir sind nicht ganz schlecht“, sagte sie. „In New York haben wir beide sehr viel gespielt. Wenn ihr Angst habt, dass wir euer Spiel behindern …“
    „Oh, das ist es nicht, Miss Bowman“, widersprach Arthur, und dabei wurde sein Gesicht so rot wie sein Haar.
    Unsicher sah er seine Kameraden an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder ihr zuwandte. „Es ist nur, weil – Damen Ihrer Sorte – Sie können nicht – wir stehen in Diensten, Miss.“
    „Es ist doch eure Freizeit, oder?“, gab Lillian zurück.
    Zögernd nickte der Junge.
    „Nun, es ist auch unsere Freizeit“, sagte Lillian. „Und es ist doch nur ein kleines Spiel. Ach, lasst uns mitspielen – wir sagen es auch niemandem.“
    Trotzdem erwiderte Arthur. „Miss Bowman, wenn jemand sieht, wie Sie im Stallhof Baseball spielen, wird man uns die Schuld geben, und dann …“
    „Nein, das wird man nicht“, unterbrach ihn Lillian. „Ich verspreche, die volle Verantwortung zu übernehmen, wenn uns jemand erwischt. Ich werde sagen, wir haben euch keine Wahl gelassen.“
    Obwohl die ganze Gruppe noch immer misstrauisch wirkte, flehten und bettelten Lillian und Daisy so lange, bis man sie an dem Spiel teilnehmen ließ. Innerhalb weniger Augenblicke ließ der Spaß daran jede Befangenheit vergehen, und ihre Würfe, Läufe und Schläge wurden völlig ungezwungen. Lillian lachte und rief genauso laut wie die Stalljungen, und sie fühlte sich an die sorglose Freiheit der Kindheit erinnert. Es war so unvorstellbar erleichternd, die zahllosen Regeln und die steifen Vorschriften zu vergessen – selbst wenn es nur für einen Moment war –, die sie beherrschten, seit sie einen Fuß auf englischen Boden gesetzt hatten. Und es war ein so herrlicher Tag, die Sonne schien strahlend und doch so viel milder als in New York, und die Luft war warm und frisch.
    „Sie sind dran, Miss“, sagte Arthur und hob eine Hand, damit man ihm den Ball zuwarf. „Schauen wir mal, ob Sie so gut schlagen können, wie Sie werfen.“
    „Kann sie nicht“, erklärte Daisy sofort, und Lillian machte eine Handbewegung, die bei den Jungen Schreie des Entzückens auslöste.
    Unglücklicherweise stimmte es. Bei all ihren guten Würfen hatte Lillian die Kunst des Schlagens nie erlernt, eine Tatsache, auf die Daisy, die eine hervorragende Schlägerin war, nur zu gern hinwies. Lillian hob den Schläger und hielt ihn mit der linken Hand wie einen Hammer. Dann drehte sie ihn über ihre Schulter und wartete auf den Wurf, schätzte ihn aus zusammengekniffenen Augen ab und schlug so fest zu, wie sie nur konnte. Zu ihrer Enttäuschung prallte der Ball an der Spitze des Schlägers ab und flog weit über den Kopf des Fängers.
    Ehe der Junge ihm nachlaufen konnte, kam der Ball zu ihm zurückgeflogen. Verwundert sah Lillian, wie Arthur plötzlich erbleichte, seine Gesichtshaut stand in deutlichem, beinah komischem Kontrast zu seinen feuerroten Locken. Sie fragte sich, was das wohl verursacht haben könnte, und drehte sich um. Dem Fänger schien der Atem zu stocken, als auch er den Besucher ansah.
    Denn lässig gegen den Zaun gelehnt stand da niemand anders als Marcus, Lord Westcliff.

3. KAPITEL
    Innerlich fluchend sah Lillian Westcliff an, der ihren Blick erwiderte und dabei spöttisch eine Braue hochzog. Er trug eine Reitjacke aus Tweed, und sein Hemd war am Hals geöffnet, sodass sein muskulöser, von der Sonne gebräunter Hals zu sehen war. Bei ihren früheren Begegnungen war

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