Herbstfeuer

bewundernden männlichen Blicken, die auf sie gerichtet waren. Die Herren, die rechts und links von ihr saßen, strahlten über das Glück, neben einer so hinreißenden Schönheit platziert worden zu sein, während Simon Hunt, der ein Stück weit weg saß, sie mit dem aufmerksamen Blick dessen beobachtete, der sein Territorium bereitwillig zu verteidigen geneigt war.
    Evie, ihre Tante Florence und Lillians Eltern saßen zusammen mit anderen an dem Tisch, der am weitesten entfernt war. Wie immer sagte Evie nur wenig zu den Männern neben ihr und betrachtete nur ihren Teller. Arme Evie, dachte Lillian mitleidig, gegen deine verdammte Schüchternheit müssen wir unbedingt etwas tun.
    Lillian musste an ihre unverheirateten Brüder denken und fragte sich, ob wohl die Möglichkeit bestände, einen von ihnen mit Evie zusammenzubringen. Vielleicht konnte sie einen ihrer Brüder überzeugen, sie in England zu besuchen. Ganz gewiss wäre jeder von ihnen ein besserer Ehemann für Evie als ihr Cousin Eustace. Da gab es ihren ältesten Bruder Raphael und die Zwillinge Ransom und Rhys. Schwerlich ließ sich eine lebenslustigere Gruppe junger Männer finden. Nur schien es wahrscheinlich, dass jeder der Gebrüder Bowman Evie Angst einjagen würde. Sie waren gutmütig, aber nicht eben feinsinnig. Nicht einmal zivilisiert.
    Ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, als eine lange Reihe von Lakaien den ersten Gang hereinbrachte, eine große Anzahl von Terrinen mit Schildkrötensuppe. Es war der erste von mindestens acht Gängen, denen verschiedene Desserts folgen würden. Bei der Aussicht auf ein weiteres langes Dinner unterdrückte Lillian einen Seufzer und sah auf, um Westcliffs prüfendem Blick zu begegnen. Doch er sagte nichts, und Lillian ergriff als Erste das Wort.
    „Ihr Jagdpferd Brutus scheint ein schönes Tier zu sein, Mylord. Mir fiel auf, dass Sie bei ihm weder Sporen noch die Peitsche benutzten.“
    Die Gespräche um sie herum verstummten, und Lillian fragte sich, ob sie wieder einen Fauxpas begangen hatte.
    Vielleicht stand es einem unverheirateten Mädchen nicht an zu sprechen, ehe jemand das Wort an sie gerichtet hatte. Trotzdem antwortete Westcliff bereitwillig. „Bei all meinen Tieren benutze ich nur selten Peitsche oder Sporen, Miss Bowman. Gewöhnlich gelingt es mir, die gewünschten Ergebnisse ohne das zu erreichen.“
    Vermutlich, dachte Lillian, hat niemand auf dem ganzen Anwesen, nicht einmal das Pferd, jemals daran gedacht, gegen den Herrn aufzubegehren. „Er scheint ein ruhigeres Temperament zu haben als andere Vollblüter“, sagte sie.
    Westcliff lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als ein Lakai ihm eine Portion Forelle vorlegte. Das flackernde Licht schimmerte auf seinem straff gekämmten schwarzen Haar, und Lillian musste daran denken, wie sich die schweren Locken unter ihren Fingern angefühlt hatten.
    „Brutus ist kein Vollblüter, ehrlich gesagt. Eine Mischung aus einem Vollblut und einem Iren.“
    „Tatsächlich?“ Lillian versuchte nicht, ihre Überraschung zu verbergen. „Ich dachte, Sie würden nur Pferde mit reinem Stammbaum reiten.“
    „Viele Leute bevorzugen reinrassige“, räumte der Earl ein. „Aber ein Jagdpferd muss gut springen können und leicht die Richtung wechseln. Eine Kreuzung wie Brutus verfügt über die Sprungkraft eines Vollblüters, aber über die Wendigkeit eines Iren.“
    Die übrigen Gäste an dem Tisch hörten aufmerksam zu. Als Westcliff geendet hatte, fügte einer der Gentlemen jovial hinzu: „Ein herrliches Pferd, dieser Brutus. Ein Abkömmling von Eclipse, oder? Der Einfluss des Arabers ist nicht zu übersehen …“
    „Es ist ein Zeichen Ihrer Aufgeschlossenheit, ein nicht reinrassiges Pferd zu reiten“, sagte Lillian leise.
    Westcliff lächelte ein wenig. „Zuweilen kann ich durchaus aufgeschlossen sein.“
    „Das hörte ich – aber bisher habe ich nie einen Beweis dafür gesehen.“
    Wieder verstummten die Gespräche, weil die Gäste Lillians provozierende Bemerkungen hörten. Statt ungehalten zu reagieren, sah Westcliff sie mit unverhohlenem Interesse an. Ob es das Interesse eines Mannes war, der sie attraktiv fand oder der sie nur für eine Laune der Natur hielt, ließ sich schwer sagen. Aber es war eindeutig Interesse.
    „Ich habe stets versucht, die Dinge vernünftig anzugehen“, sagte er. „Was zu einem gelegentlichen Bruch mit den Traditionen führt.“
    Lillian lächelte. „Scheinen Ihnen traditionelle Vorstellungen nicht immer