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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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sprechen“, bat Thomas und stieß Lillian weiter vor.
    Stille herrschte in der Bibliothek, als Lillian den Kopf hob und Westcliff ansah. Er hatte die Stirn noch ein wenig heftiger gerunzelt, und plötzlich begriff sie, dass er keine Entschuldigung von ihr wollte. Nicht so, wenn ihr Vater sie auf so peinliche Weise dazu nötigte. Aus irgendeinem Grund fiel es ihr dadurch leichter.
    Sie schluckte und sah direkt in seine schwarzen Augen. „Was geschehen ist, bedaure ich, Mylord. Sie waren ein sehr großzügiger Gastgeber und verdienen weitaus mehr Respekt, als ich Ihnen heute Morgen erwiesen habe. Ihre Entscheidung beim Hindernisparcours hätte ich nicht in Zweifel ziehen dürfen und auch nicht auf diese Weise mit Ihnen sprechen dürfen. Ich hoffe, Sie nehmen meine Entschuldigung an und erkennen, dass ich es ernst meine.“
    „Nein“, sagte er leise.
    Verwirrt blinzelte Lillian und dachte, er lehnte ihre Entschuldigung ab.
    „Ich muss mich entschuldigen, Miss Bowman, nicht Sie“, fuhr Westcliff fort. „Ihre überstürzte Handlung wurde von meiner hochfahrenden Art verursacht. Ich kann es Ihnen nicht verübeln, auf diese Weise auf meine Arroganz reagiert zu haben.“
    Es fiel Lillian schwer, ihr Erstaunen zu verbergen, aber es war nicht leicht, da Westcliff genau das Gegenteil von dem getan hatte, was sie erwartet hatte. Man hatte ihm die perfekte Gelegenheit geboten, ihren Stolz zu verletzen – und er hatte sich entschieden, das nicht zu tun. Das verstand sie nicht. Was für ein Spiel spielte er hier?
    Sanft ließ er den Blick über ihre erstaunte Miene gleiten. „Auch wenn es mir heute Morgen nicht gelang, das zum Ausdruck zu bringen“, sagte er leise, „so war doch meine Sorge um Ihre Sicherheit ehrlich. Daher war ich so verärgert.“
    Während sie ihn ansah, fühlte Lillian, wie ihre Ablehnung ihm gegenüber sich aufzulösen begann. Wie nett er gerade war! Und es sah auch nicht so aus, als wollte er nur so tun als ob. Er schien wirklich freundlich und mitfühlend zu sein. Erleichterung durchströmte sie, und zum ersten Mal an diesem Tag gelang es ihr, tief Atem zu holen. „Das war nicht der einzige Grund für Ihren Zorn“, sagte sie. „Es gefällt Ihnen auch nicht, wenn man Ihnen nicht gehorcht.“
    Westcliff lachte rau. „Nein“, gestand er lächelnd. „Das mag ich nicht.“ Das Lächeln veränderte seine strengen Züge, und Lillian fühlte einen seltsamen Schauder.
    „Darf ich jetzt wieder Ihre Pferde reiten?“, wagte sie zu fragen.
    „Lillian!“, hörte sie ihre Mutter schimpfen.
    Westcliffs Augen funkelten belustigt, als gefiele ihm ihre Kühnheit. „So weit würde ich nicht gehen.“
    Unter seinem Blick wurde ihr bewusst, dass aus ihrem steten Streit ein freundliches Geplänkel geworden war, durchsetzt mit etwas, das sich anfühlte wie – Begehren. Gütiger Himmel. Ein paar freundliche Worte von Westcliff, und sie stand im Begriff, sich zum Narren zu machen.
    Weil sie sah, dass sie Frieden geschlossen hatten, sprudelte Mercedes geradezu über vor Begeisterung. „Oh, lieber Lord Westcliff, was sind Sie doch für ein großherziger Gentleman! Und nicht im Geringsten hochnäsig – ganz offensichtlich war es die Sorge um meinen kleinen Engel, der Sie trieb, und das spricht nur noch mehr für Ihre Güte.“
    Das Lächeln des Earls wirkte ein wenig boshaft, als er Lillian prüfend musterte, wie um festzustellen, ob die Bezeichnung „kleiner Engel“ für sie passend war. Er reichte Mercedes den Arm und fragte geradeheraus: „Darf ich Sie in den Speisesaal geleiten, Mrs. Bowman?“
    Entzückt von der Vorstellung, dass jeder sie in Begleitung von Lord Westcliff persönlich sehen würde, nahm Mercedes mit einem zufriedenen Seufzer an. Während des Ganges vom Arbeitszimmer zum Salon, wo man sich vor dem Dinner versammelte, ließ sie sich über ihre Eindrücke von Hampshire aus und warf dabei ein paar kritische Worte ein, die komisch sein sollten, Lillian und Daisy aber veranlassten, verzweifelte Blicke zu tauschen.
    Lord Westcliff nahm Mercedes’ Bemerkungen sehr höflich auf, seine tadellosen Manieren ließen ihre nur umso schlimmer wirken. Und zum ersten Mal in ihrem Leben kam Lillian der Gedanke, dass ihr völliges Ignorieren der Etikette nicht ganz so charmant wirkte, wie sie bisher angenommen hatte. Ganz gewiss wollte sie nicht steif und reserviert werden – aber gleichzeitig wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, ein kleines bisschen mehr Respekt an den Tag zu legen.
    Zweifellos

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