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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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war Lord Westcliff unendlich erleichtert, sich von den Bowmans trennen zu dürfen, als sie den Salon erreichten, doch er zeigte dies mit keinem Wort und keiner Geste. Höflich wünschte er ihnen einen angenehmen Abend und verneigte sich leicht, ehe er davonging, um sich zu der Gruppe um seine Schwester Olivia und deren Gemahl Mr. Shaw zu gesellen.
    Daisy wandte sich zu Lillian und sah sie erstaunt an. „Warum war Lord Westcliff so freundlich zu dir?“, flüsterte sie. „Und warum um Himmels willen hat er Mutter den Arm geboten, uns hierhergeleitet und ihrem endlosen Geplapper zugehört?“
    „Ich habe nicht die leiseste Ahnung“, flüsterte Lillian zurück. „Aber offensichtlich verfügt er über kein besonderes Schmerzempfinden.“
    Simon Hunt und Annabelle traten zu der Gruppe an der anderen Seite des Zimmers. Annabelle strich gedankenverloren über die Taille ihres silberblauen Kleides, ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, entdeckte Lillian und setzte eine traurige Miene auf. Offensichtlich hatte sie von dem Streit am Hindernisparcours gehört. „Es tut mir leid“, flüsterte sie lautlos und schien erleichtert, als Lillian beruhigend nickte und ebenso stumm zurückflüsterte: „Ist schon gut.“
    Endlich gingen sie alle in den Speisesaal, wobei die Bowmans und die Hunts zu den Letzten gehörten, denn sie waren nicht von Adel. „Geld kommt immer am Schluss“, hörte Lillian ihren Vater sagen und vermutete, dass er nur wenig Verständnis aufbrachte für die Standesregeln, die bei Gelegenheiten wie diesen immer so sorgfältig beachtet wurden. Lillian bemerkte, dass bei jenen Anlässen, denen die Countess fernblieb, Lord Westcliff und seine Schwester Lady Olivia dazu neigten, alles etwas weniger förmlich zu arrangieren, und die Gäste aufforderten, zwanglos den Speisesaal zu betreten und nicht in einer Art Prozession. In Anwesenheit der Countess allerdings wurde die Tradition stets streng beachtet.
    Es schien, als wären mindestens so viele Diener anwesend wie Gäste, und alle trugen sie eine Livree, bestehend aus einer schwarzen Kniehose, senffarbener Weste und einem blauen Frack. Sie führten die Gäste zu ihren Plätzen und schenkten Wein und Wasser aus, ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten.
    Zu Lillians Überraschung saß sie in der Nähe des Kopfes der Tafel, nur drei Plätze von Westcliffs Rechter entfernt.
    Ein Platz in der Nähe des Gastgebers war ein großer Gunstbeweis, der nur selten an ein unverheiratetes Mädchen ohne Rang vergeben wurde. Während sie sich fragte, ob der Diener wohl einen Fehler begangen hatte, als er sie hierhersetzte, sah sie sich um und bemerkte, dass auch die Gäste in ihrer Nähe von ihrer Anwesenheit erstaunt waren. Selbst die Countess, die am Ende der Tafel saß, betrachtete sie stirnrunzelnd.
    Lillian warf Lord Westcliff einen fragenden Blick zu, während er seinen Platz am Kopf der Tafel einnahm. Er zog eine Braue hoch. „Stimmt etwas nicht? Sie scheinen verwirrt, Miss Bowman.“
    Korrekt wäre es vermutlich gewesen, wenn sie errötet wäre und ihm für diese unerwartete Ehre gedankt hätte. Aber als Lillian in sein Gesicht sah, das im Kerzenschein so weich wirkte, ertappte sie sich dabei, wie sie unverblümt sagte: „Ich frage mich, warum ich so in Ihrer Nähe sitze. Nach dem, was heute Morgen geschah, nahm ich an, Sie würden mich draußen auf der Terrasse platzieren.“
    Einen Moment lang herrschte vollkommenes Schweigen, weil die Gäste darüber erschrocken waren, dass Lillian so offen den Konflikt am Morgen erwähnte. Doch Westcliff überraschte sie, indem er leise lachte, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Nach einem Augenblick stimmten die anderen etwas gezwungen mit ein.
    „Da ich Ihre Neigung zu Schwierigkeiten kenne, Miss Bowman, habe ich entschieden, dass es sicherer ist, Sie in meiner Nähe zu lassen, sodass Sie sich notfalls in Reichweite befinden.“
    Er sagte das leichthin. Man hätte sich sehr anstrengen müssen, um Verärgerung in seinem Tonfall zu entdecken.
    Und doch empfand Lillian tief in ihrem Innern ein merkwürdig angenehmes Gefühl, das sie durchströmte wie warmer Honig.
    Während sie ein Glas mit eisgekühltem Champagner an die Lippen hob, sah sie sich im Speisesaal um. Daisy saß am Ende der Tafel, unterhielt sich lebhaft und hätte um ein Haar ein Weinglas umgeworfen, als sie die Hand hob, um ihre Worte mit einer Geste zu unterstreichen. Annabelle saß am anderen Tisch und schien überhaupt nichts zu bemerken von den

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