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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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sie es gerngehabt hätte, wenn er sie weitermassierte. Am liebsten hätte sie den ganzen Abend hiergesessen, mit seinen Händen auf ihrem Nacken. Und ihrem Rücken. Und – an anderen Stellen. Sie sah auf und blinzelte, als sie entdeckte, wie nahe sein Gesicht war. Seltsam, wie seine ernsten Züge ihr immer anziehender erschienen, je öfter sie ihn sah. Wie gern hätte sie seine markante Nase berührt, die Konturen seiner Lippen, die so streng waren und doch so weich. Und der betörende Schatten seines Bartes. Alles zusammen bildete diese männliche Erscheinimg. Aber am anziehendsten waren seine Augen, wie schwarzer Samt im warmen Kerzenschein, umrahmt von geraden Wimpern, die Schatten auf seine hohen Wangenknochen warfen.
    Dann dachte sie an seinen kreativen Einfall mit der purpurgefleckten Silbernen Acht und musste leise lachen. Stets hatte sie Westcliff für völlig humorlos gehalten – und ihn darin falsch eingeschätzt. „Ich dachte, Sie würden niemals lügen“, sagte sie.
    Um seine Lippen zuckte es. „Hin und her gerissen zwischen der Tatsache, dass Ihnen am Dinnertisch ein Malheur zu passieren drohte, oder einer Lüge, um Sie möglichst schnell hinauszubringen, entschied ich mich für das geringere Übel. Fühlen Sie sich jetzt besser?“
    „Besser – ja.“ Lillian merkte, dass sie in seiner Armbeuge ruhte und ihre Röcke zum Teil über seine Schenkel gebreitet waren. Sein Körper fühlte sich fest und warm an und passte so gut zu ihrem. Als sie nach unten blickte, fiel ihr auf, wie eng seine Hose geschnitten war. Ganz undamenhafte Neugier erwachte in ihr, und am liebsten hätte sie über sein Bein gestrichen. „Die Sache mit der Silbernen Acht war schon sehr schlau“, sagte sie und sah ihm wieder ins Gesicht. „Aber dann noch einen lateinischen Namen dafür zu finden, das war wirklich eine Kunst.“
    Westcliff lächelte. „Ich habe immer gehofft, dass meine Lateinkenntnisse irgendwann zu etwas nütze sein würden.“
    Er schob sie ein Stück zur Seite, griff in seine Westentasche und blickte auf die Uhr. „In ungefähr einer Viertelstunde werden wir in den Speisesaal zurückkehren. Bis dahin müsste der Kalbskopf abgetragen worden sein.“
    Lillian verzog das Gesicht. „Ich hasse englisches Essen“, erklärte sie. „All diese Gelees, Eintöpfe und Puddings – und Wild, das vermutlich älter ist, als ich es bin, wenn es serviert wird, und …“ Sie fühlte, dass er ein Lachen unterdrücken musste, und drehte sich in seinem Arm herum. „Was ist so komisch?“
    „Durch Sie bekomme ich Angst, in meinen eigenen Speisesaal zurückzukehren.“
    „Das sollten Sie auch!“, rief sie aus, und er konnte das Lachen nicht länger zurückhalten.
    „Pardon“, ließ sich Daisys Stimme ganz aus der Nähe vernehmen. „Ich werde die Gelegenheit nutzen und gehe jetzt das – das – ach, wie immer der elegante Ausdruck dafür lauten mag – ich werde es aufsuchen. Ich treffe dich an der Tür zum Speisesaal.“
    Westcliff zog seinen Arm von Lillian zurück und sah Daisy an, als hätte er vorübergehend ihre Anwesenheit vergessen.
    „Daisy“, sagte Lillian unbehaglich, denn sie vermutete, dass ihre jüngere Schwester eine Ausrede erfand, um sie beide allein zu lassen.
    Ohne sie zu beachten, verschwand Daisy mit einem verschmitzten Lächeln und einem Winken durch die Flügeltüren.
    Lillian blieb mit Westcliff im Schein der flackernden Kerzen zurück, ein Anflug von Aufregung durchzuckte sie.
    Möglicherweise mangelte es draußen an seltenen hybriden Arten von Schmetterlingen, aber die in ihrem Bauch glichen dieses Manko wieder aus. Westcliff drehte sich ganz zu ihr herum, einen Arm auf die Rückenlehne des Sofas gelegt.
    „Vorhin habe ich mit der Countess gesprochen“, sagte er, und um seine Mundwinkel spielte ein Lächeln.
    Es dauerte eine Weile, bis Lillian reagierte und das Bild verscheucht hatte, das sich ihr aufdrängte: wie er sich mit seinem dunklen Kopf über sie neigte und sie seine Zunge schmeckte … „Worüber?“, fragte sie benommen.
    Westcliff antwortete mit einem vielsagenden Lächeln.
    „Oh“, murmelte sie. „Sie meinen – meine Bitte um ihre Fürsprache?“
    „Wollen wir das eine Bitte nennen?“ Westcliff streckte den Arm aus und schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr.
    Dabei streifte seine Fingerspitze ihr Ohrläppchen. „Wenn ich mich recht erinnere, ähnelte es mehr einer Erpressung.“ Er strich über das zarte Ohr. „Sie tragen niemals Ohrringe. Warum

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