Herbstfeuer
Mädchen.“
„Tatsächlich? Wie faszinierend. Nun, um des Anstandes willen werde ich es versuchen – welche Themen bespricht man mit unschuldigen Mädchen?“
„Kaum welche“, erwiderte Daisy und brachte ihn dadurch zum Lachen.
Ehe sie den Speisesaal betraten, nahm Lillian sich die Zeit, Westcliff zu fragen: „Wann soll ich morgen die Countess besuchen? Und wo?“
Sein Blick wirkte kühl. Es entging Lillian nicht, dass seine Laune in dem Moment schlechter geworden war, da St. Vincent sie zu einer Kutschfahrt eingeladen hatte. Aber warum sollte ihm das missfallen? Die Vermutung, er könnte eifersüchtig sein, war lächerlich, denn sie war die letzte Frau auf der Welt, für die er persönliches Interesse hegen könnte. Die einzige vernünftige Erklärung lautete, dass er vielleicht vermutete, St. Vincent könnte versuchen, sie zu verführen, und er nichts mit den dadurch entstehenden Schwierigkeiten zu tun haben wollte.
„Um zehn im Salon der Marsdens“, sagte er.
„Ich fürchte, dieser Raum ist mir nicht bekannt…“
„Nur die wenigsten Menschen kennen ihn. Es handelt sich um einen Salon im Obergeschoss, reserviert für die privaten Zwecke der Familie.“
„Oh.“ Sie sah in seine dunklen Augen und fühlte sich gleichzeitig dankbar und verwirrt. Er war freundlich zu ihr gewesen, und doch konnte ihre Beziehung nicht im Geringsten als freundschaftlich anzusehen sein. Sie wünschte, sie verspürte nicht diese stetig zunehmende Neugier in Bezug auf ihn. Wie viel einfacher war es gewesen, als sie ihn als selbstherrlichen Snob abtun konnte! In jedem Fall war seine Persönlichkeit überraschend vielschichtig, entgegen ihrer bisherigen Erwartung zeigte er Humor, Sinnlichkeit und Mitgefühl.
„Mylord“, sagte sie, verwirrt durch seinen Blick, „ich … ich … ich denke, ich sollte Ihnen danken für …“
„Gehen wir hinein“, unterbrach er sie knapp, offensichtlich begierig darauf, sie loszuwerden. „Wir haben lange genug getrödelt.“
„Bist du aufgeregt?“, flüsterte Daisy am nächsten Morgen, als sie zusammen mit Lillian ihrer Mutter zur Tür des Marsden-Salons folgte. Obwohl Mercedes nicht ausdrücklich zu dem Treffen mit der Countess eingeladen war, war sie entschlossen, das zu glauben.
„Nein“, erwiderte Lillian. „Ich bin sicher, wir haben nichts zu fürchten, solange wir still sind.“
„Ich habe gehört, sie hasst Amerikaner.“
„Das ist bedauerlich“, meinte Lillian kurz, „da ihre beiden Töchter Amerikaner geheiratet haben.“
„Still, alle beide“, flüsterte Mercedes. Sie trug ein silbergraues Kleid mit einer großen Diamantenbrosche am Hals.
Jetzt klopfte sie an die Tür. Von drinnen war kein Geräusch zu hören. Daisy und Lillian sahen einander an und fragten sich, ob die Countess schließlich doch noch beschlossen hatte, sie nicht zu treffen. Mercedes runzelte die Stirn und klopfte heftiger.
Diesmal durchdrang eine scharfe Stimme die Mahagonitür. „Schluss mit diesem infernalischen Gehämmer.
Herein!“
Mit gesenkten Häuptern betraten die Bowmans den Raum. Es war ein kleiner, aber hübscher Salon, mit einer blau geblümten Tapete und vielen Fenstern, die einen Blick auf den Garten darunter boten. Die Countess of Westcliff ruhte auf einem Sofa unterhalb eines dieser Fenster, den Hals umschlossen von einer Kette aus seltenen schwarzen Perlen, die Finger und Handgelenke schwer von Edelsteinen. Im Gegensatz zu dem schimmernden Silber ihrer Haare waren ihre Brauen dicht und dunkel und saßen viel zu nah über den Augen. Gesicht und Gestalt schienen ohne Konturen zu sein. Sie hatte ein rundes Gesicht, und ihre Figur war beinahe dick zu nennen. Im Stillen stellte Lillian fest, dass Lord Westcliff vermutlich das Aussehen seines Vaters geerbt hatte, denn zwischen ihm und seiner Mutter bestand kaum eine Ähnlichkeit.
„Ich erwartete nur zwei“, sagte die Countess mit einem strengen Blick zu Mercedes. „Warum sehe ich drei vor mir?“
„Euer Gnaden“, begann Mercedes mit einem Lächeln und sank in einen unbequemen Knicks. „Lassen Sie mich Ihnen zuerst sagen, wie sehr Mr. Bowman und ich uns freuen, dass Sie sich dazu herablassen, meinen beiden Engeln …“
„Nur eine Duchess wird mit Euer Gnaden angesprochen“, unterbrach sie die Countess und zog dabei die Mundwinkel hinab. „Wollen Sie sich über mich lustig machen?“
„O nein, Euer – ich meine, Mylady“, sagte Mercedes hastig und erbleichte dabei. „Ich wollte nicht spotten.
Niemals!
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