Herbstfeuer
die dieses Wort in der letzten Zeit häufiger gehört hatte. Viele Diskussionen drehten sich um die Gemüsediät, die von einer Gesellschaft in Ramsgate empfohlen wurde.
St. Vincent lächelte betörend. „Nein, meine Süße, ich bin ein Kannibale.“
„St. Vincent“, sagte Westcliff mahnend, als er Lillians verwirrte Miene sah.
Der Viscount lächelte unbeeindruckt. „Es ist gut, dass ich hier vorbeikam, Miss Bowman. Wissen Sie, mit Westcliff allein sind Sie nicht sicher.“
„Bin ich nicht?“, gab Lillian zurück und zuckte innerlich zusammen, weil ihr bewusst wurde, dass er eine solche Bemerkung nie gemacht hätte, wenn er von den intimen Begegnungen zwischen ihr und dem Earl gewusst hätte.
Sie wagte es nicht, Westcliff anzusehen, doch er war ihr so nahe, dass sie fühlte, wie er erstarrte.
„Nein, wirklich nicht“, versicherte St. Vincent. „Es sind immer die besonders Moralischen, die privat die schlimmsten Dinge tun. Während Sie mit einem so offensichtlichen Halunken, wie ich einer bin, vollkommen sicher sein können. Hier, Sie sollten unter meinem Schutz in den Speisesaal zurückkehren. Der Himmel weiß, welchen gerissenen Plan der Earl bereits ausheckt.“
Grinsend erhob sich Lillian von der Bank. Es gefiel ihr, dass Westcliff geneckt wurde. Er sah seinen Freund mit einem leichten Stirnrunzeln an, als auch er aufstand.
Während Lillian St. Vincents Arm nahm, überlegte sie, warum er wohl gekommen sein mochte. War es möglich, dass er sich für sie interessierte? Gewiss nicht. Es war allgemein bekannt, dass Mädchen im heiratsfähigen Alter in St. Vincents Liebesleben keine Rolle spielten, und Lillian gehörte kaum zu der Sorte Frauen, mit der er eine Affäre beginnen wollte. Dennoch fand sie es angenehm, in der Gesellschaft zweier Männer zu sein, von denen der eine der begehrteste Liebhaber in ganz England war und der andere der begehrteste Junggeselle. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie sich vorstellte, wie viele Frauen bereit wären, einen Mord zu begehen, nur um jetzt ihren Platz einnehmen zu können.
St. Vincent zog sie mit sich fort. „Wenn ich mich recht erinnere“, bemerkte er, „verbot unser Freund Westcliff Ihnen, seine Pferde zu reiten, aber über eine Kutschfahrt hat er nichts gesagt. Würden Sie eventuell erwägen, mich morgen früh auf eine Landpartie zu begleiten?“
Während Lillian über die Einladung nachdachte, schwieg sie einen Moment lang für den Fall, dass Westcliff dazu etwas zu sagen hätte. Natürlich hatte er das.
„Morgen früh wird Miss Bowman beschäftigt sein.“ Die knappe Erwiderimg des Earls durchschnitt die Luft.
Lillian öffnete den Mund zu einer scharfen Erwiderung, aber St. Vincent warf ihr einen Seitenblick zu, der ihr bedeutete, ihm die Angelegenheit zu überlassen. „Womit beschäftigt?“, fragte er.
„Sie und ihre Schwester treffen sich mit der Countess.“
„Ah, der herrliche alte Drachen“, meinte St. Vincent und geleitete Lillian durch die Tür. „Ich bin immer gut mit der Countess zurechtgekommen. Lassen Sie mich Ihnen einen Rat geben – sie liebt es, wenn man ihr schmeichelt, auch wenn sie etwas anderes behauptet. Ein paar lobende Worte, und sie wird Ihnen aus der Hand fressen.“
Über ihre Schulter hinweg blickte sie zurück zu Westcliff. „Stimmt das, Mylord?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich habe nie versucht, ihr zu schmeicheln.“
„Westcliff hält Schmeicheleien und Charme für Zeitverschwendung“, erklärte St. Vincent.
„Das habe ich bemerkt.“
St. Vincent lachte. „Dann schlage ich eine Kutschfahrt für übermorgen vor. Klingt das annehmbar?“
„Ja, ich danke Ihnen.“
„Hervorragend“, sagte St. Vincent und fügte beiläufig hinzu: „Außer, Westcliff, du hast in andererWeise über Miss Bowmans Terminkalender verfügt?“
„Ganz und gar nicht“, erwiderte Westcliff ausdruckslos.
Natürlich nicht, dachte Lillian in einem Anflug von Ärger. Offensichtlich empfand Westcliff keinen Wunsch nach ihrer Gesellschaft, außer um anderen Gästen den Anblick zu ersparen, wie sie sich auf den Dinnertisch erbrach.
Sie trafen Daisy, die bei St. Vincents Anblick leicht die Brauen hob und fragte: „Wo kommen Sie denn her?“
„Wäre meine Mutter noch am Leben, so würde ich sie befragen“, erwiderte er höflich. „Aber ich bezweifle, dass sie es wusste.“
„St. Vincent“, fuhr ihn Westcliff zum zweiten Mal an diesem Abend an. „Dies sind unschuldige
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