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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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ganz leicht – so perfekt wie noch nie zuvor etwas in ihrem Leben gewesen war. Ihre Körper bewegten sich so harmonisch, als hätten sie schon tausendmal den Walzer zusammen getanzt. Himmel, wie er tanzen konnte! Er führte sie zu Schritten, die sie nie versucht hatte, Rückwärtsdrehungen und Kreuzschritte, und das alles so ohne Anstrengung und ganz natürlich, dass sie zu lachen begann. In seinen Armen fühlte sie sich schwerelos und glitt wie selbstverständlich dahin. Ihre Röcke streiften seine Beine, wickelten sich darum und lösten sich wieder in immer demselben Rhythmus.
    Der überfüllte Ballsaal schien zu verschwinden, und sie fühlte sich, als tanzten sie allein, alle anderen weit weg von ihr an einem entfernten Ort. Sie fühlte seinen Körper, fühlte seinen warmen Atem an ihrer Wange, und Lillian glitt in einen Tagtraum – eine Fantasievorstellung, in der Marcus, Lord Westcliff, sie nach dem Walzer nach oben brachte, sie auskleidete und dann sanft auf das Bett legte. Einmal hatte er ihr zugeflüstert, er wollte sie überall küssen – er würde sie lieben und sie im Arm halten, während sie schlief. Diese Art von Zusammensein hatte sie noch nie zuvor mit einem Mann ersehnt.
    „Marcus …“, sagte sie gedankenverloren und lauschte dem Klang seines Namens. Erschrocken sah er sie an.
    Jemanden bei seinem Vornamen zu nennen war etwas sehr Persönliches, so intim, dass es nur geschah, wenn man verheiratet oder nahe verwandt war. Lillian lächelte übermütig und wandte das Gespräch in eine angemessenere Richtung. „Der Name gefällt mir. Er ist nicht sehr verbreitet. Wurden Sie nach Ihrem Vater benannt?“
    „Nein, nach einem Onkel. Dem einzigen auf Seiten meiner Mutter.“
    „Gefiel es Ihnen, so zu heißen wie er?“
    „Jeder Name wäre mir recht gewesen, solange es nicht der meines Vaters war.“
    „Haben Sie ihn gehasst?“
    Westcliff schüttelte den Kopf. „Es war schlimmer.“
    „Was könnte schlimmer sein als Hass?“
    „Gleichgültigkeit.“
    Mit unverhohlener Neugierde sah sie ihn an. „Und die Countess?“, wagte sie zu fragen. „Sind Sie ihr gegenüber auch gleichgültig?“
    Er brachte ein halbes Lächeln zustande. „Ich betrachte meine Mutter als alternde Tigerin – eine, deren Zähne und Klauen stumpf sind, die aber immer noch fähig ist, Schaden anzurichten. Daher versuche ich, mit ihr nur aus gebührendem Abstand zu tun zu haben.“
    Lillian warf ihm einen gespielt empörten Blick zu. „Und doch haben Sie mich ihr heute Morgen zum Fraß vorgeworfen.“
    „Ich wusste, dass Sie über ein eigenes Paar Klauen und Zähne verfügen.“ Westcliff lächelte über ihren Gesichtsausdruck. „Das war ein Kompliment.“
    „Ich bin froh, dass Sie das dazugesagt haben“, meinte sie. „Sonst hätte ich es nicht bemerkt.“
    Zu Lillians Bedauern endete der Walzer mit einem letzten süßen Geigenton. Zwischen der Schar von Tänzern, die die Tanzfläche verließen, und jenen, die gekommen waren, ihren Platz einzunehmen, blieb Westcliff plötzlich stehen. Verwirrt stellte sie fest, dass er sie noch immer im Arm hielt, und trat etwas zögernd zurück. Sofort hielt er sie fester, als wollte er, dass sie an seiner Seite blieb. Das erstaunte sie ebenso wie das Gefühl, das er dadurch verriet, und Lillian stockte der Atem.
    In der nächsten Sekunde fasste Westcliff sich wieder und zwang sich, sie loszulassen. Doch sie konnte noch das Verlangen spüren, das von ihm ausging, so glühend wie die Hitze, die von einem Waldbrand ausging. Und es war eine peinliche Vorstellung, dass ihre Gefühle ihm gegenüber ehrlich waren, während seine zweifellos auf der Wirkung des Parfüms beruhten. Sie hätte alles dafür gegeben, ihn nicht so anziehend zu finden, wenn Enttäuschung oder sogar ein gebrochenes Herz von vornherein zu erwarten waren.
    „Ich hatte recht, oder?“, fragte sie mit belegter Stimme und brachte es nicht fertig, ihn anzusehen. „Es war ein Fehler, miteinander zu tanzen.“
    Westcliff zögerte so lange mit einer Antwort, dass sie schon dachte, er würde stumm bleiben. „Ja“, sagte er endlich, und in dem einen Wort schwang ein unbestimmtes Gefühl mit.
    Weil er es sich nicht leisten konnte, sie zu begehren. Weil er genauso gut wie sie wusste, dass eine Verbindung zwischen ihnen katastrophal sein würde.
    Plötzlich schmerzte es sie, sich in seiner Nähe aufzuhalten. „Dann nehme ich an, dass dieser Walzer unser erster und unser letzter sein wird“, sagte sie leichthin. „Guten

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