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Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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ihn gehasst hatte, wohl wissend, dass er sich für überlegen hielt und sie nicht für attraktiv genug, um sich um sie zu kümmern. Und in ihren boshafteren Fantasien hatte sie sich einen Moment wie diesen ausgedacht, wenn er sie um einen Tanz bat und sie ihn grob zurückwies. Stattdessen war sie nur überrascht und brachte kein Wort heraus.
    „Entschuldigen Sie mich“, hörte sie Daisy heiter sagen. „Ich muss zu Evie gehen …“ Und damit entfernte sie sich, so schnell es ihr nur möglich war.
    Bebend holte Lillian Atem. „Ist das eine Prüfung, die die Countess angesetzt hat?“, fragte sie. „Um zu sehen, ob ich mich an meine Lektionen erinnere?“
    Westcliff lachte leise. Lillian nahm sich zusammen und stellte fest, dass die Leute sie anstarrten und sich offensichtlich fragten, was sie wohl gesagt hatte, um ihn zu erheitern. „Nein“, murmelte er. „Vermutlich ist es ein selbst angesetzter Test, um festzustellen, ob ich …“ Als er in ihre Augen sah, schien er zu vergessen, was er hatte sagen wollen. „Einen Walzer“, sagte er schließlich.
    Lillian misstraute ihren eigenen Gefühlen ihm gegenüber und der Sehnsucht, ihm nahe zu sein, sodass sie den Kopf schüttelte. „Ich glaube – ich glaube, das wäre ein Fehler. Vielen Dank, aber …“
    „Feigling.“
    Lillian erinnerte sich an den Augenblick, da sie ihm dasselbe vorgeworfen hatte, und ebenso wenig wie er damals konnte jetzt sie der Herausforderung widerstehen. „Ich verstehe nicht, warum Sie nun mit mir tanzen wollen, wenn Sie es doch nie zuvor getan haben.“
    Diese Erklärung verriet mehr, als ihr lieb sein konnte. Sie verfluchte ihr schnelles Mundwerk, während er den Blick prüfend über ihr Gesicht schweifen ließ.
    „Ich wollte immer gern mit Ihnen tanzen“, sagte er zu ihrer Überraschung. „Doch es schien stets einen guten Grund zu geben, es nicht zu tun.“
    „Warum …“
    „Außerdem“, unterbrach sie Westcliff und fasste nach ihrer behandschuhten Hand, „schien es mir wenig sinnvoll, Sie zu fragen, wenn doch von vornherein feststand, dass Sie ablehnen würden.“ Sanft, aber entschlossen führte er sie zu der Gruppe von Paaren in der Mitte des Raums.
    „Es stand nicht von vornherein fest.“
    Skeptisch sah Westcliff sie an. „Wollen Sie damit sagen, Sie hätten akzeptiert?“
    „Vielleicht.“
    „Das bezweifle ich.“
    „Jetzt habe ich es doch auch getan, oder?“
    „Es blieb Ihnen nichts anderes übrig, schließlich handelte es sich um eine Ehrenschuld.“
    Sie musste lachen. „Wofür, Mylord?“
    „Für den Kalbskopf“, erinnerte er sie.
    „Nun, hätten Sie nicht so etwas Garstiges servieren lassen, wäre eine Rettung nicht nötig gewesen.“
    „Sie hätten nicht gerettet werden müssen, wenn Sie nicht einen so schwachen Magen besäßen.“
    „In Gegenwart einer Dame dürfen keine Körperteile erwähnt werden“, erklärte sie hoheitsvoll. „Das hat Ihre Mutter gesagt.“
    Westcliff lächelte. „Ich gestehe meinen Fehler ein.“
    Lillian genoss das Geplänkel und lächelte zurück. Doch ihr Lächeln verschwand, als der langsame Walzer begann und Westcliff sie zu sich herumdrehte. Ihr Herz begann heftig zu schlagen. Sie betrachtete die behandschuhte Hand, die er nach ihr ausgestreckt hatte, und brachte es nicht über sich, sie zu ergreifen. Wie konnte sie es zulassen, dass er sie in aller Öffentlichkeit in den Armen hielt? Sie hatte viel zu sehr Angst vor dem, was sich vielleicht in ihrem Gesicht abzeichnen würde.
    Gleich darauf hörte sie seine leise Stimme. „Nehmen Sie meine Hand.“
    Benommen gehorchte sie und umfasste seine Hand mit ihren zitternden Fingern.
    Wieder entstand Schweigen, dann sagte er leise: „Legen Sie die andere auf meine Schulter.“
    Sie sah zu, wie sich ihre weiß behandschuhte Hand langsam auf seiner Schulter niederließ, die sich hart und fest anfühlte.
    „Jetzt sehen Sie mich an“, flüsterte er.
    Sie hob den Kopf. Ihr Herz schien stillzustehen, als sie in seine kaffeebraunen Augen sah, die voll dunkler Wärme schienen. Ohne den Blick von ihr zu wenden, drehte Westcliff sich mit ihr in den Walzer und nutzte die erste Figur, um sie näher an sich zu ziehen. Bald verschmolzen sie mit den anderen Tänzern und bewegten sich mit selbstverständlicher Anmut im Kreis.
    Wie Lillian es erwartet hatte, führte Westcliff sehr entschieden und erlaubte keinen einzigen Fehltritt. Eine Hand umfasste ihre schmale Taille, mit der anderen bestimmte er energisch die Richtung.
    Es war

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