Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbstfeuer

Herbstfeuer

Titel: Herbstfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
Vom Netzwerk:
Männern des Adels, egal wie sie aussahen, wie alt sie waren oder welchen Ruf sie genossen, sah Mercedes eine mögliche Beute. Nichts würde sie daran hindern, dafür zu sorgen, dass jede ihrer Töchter einen Titel heiratete, und es war ihr egal, ob der Mann dazu jung und hübsch war oder alt und senil. Beinahe von jedem bedeutenden Adligen in England hatte sie einen privaten Bericht erstellen lassen und Hunderte von Seiten über die finanzielle Lage der britischen Aristokratie auswendig gelernt. Während sie den eleganten Viscount musterte, der vor ihr stand, war beinahe zu sehen, wie sie im Kopf die Masse ihrer Informationen durchging.
    Bemerkenswerterweise entspannte sie sich dennoch während der nächsten Minuten in St. Vincents charmanter Gegenwart. Er überredete sie, der Kutschfahrt zuzustimmen, scherzte mit ihr und schmeichelte ihr, hörte ihre Meinung an mit solcher Aufmerksamkeit, dass Mercedes schon bald errötete und kicherte wie ein junges Mädchen.
    Noch nie hatte Lillian ihre Mutter so mit irgendeinem anderen Mann erlebt. Wenn Westcliff Mercedes irritierte, dann übte St. Vincent die gegenteilige Wirkung aus. Er besaß die einmalige Fähigkeit, einer Frau – jeder Frau, wie es schien – das Gefühl zu geben, attraktiv zu sein. Er war gewandter als die meisten Amerikaner und sehr viel herzlicher und umgänglicher als alle anderen Engländer. Sein Benehmen war so betörend, dass Lillian für eine Weile vergaß, sich im Raum nach Westcliff umzusehen.
    Schließlich nahm St. Vincent Mercedes’ Hand, beugte sich darüber und flüsterte. „Dann also bis morgen.“
    „Bis morgen“, wiederholte Mercedes ein wenig benommen, und Lillian erhielt einen Eindruck davon, wie ihre Mutter in ihrer Jugend ausgesehen haben musste, ehe die Enttäuschung sie hart gemacht hatte. Ein paar Frauen beugten sich zu Mercedes herüber, und sie wandte sich ab, um mit ihnen zu sprechen.
    St. Vincent neigte sich vor und flüsterte Lillian ins Ohr: „Möchten Sie jetzt noch das zweite Glas Champagner?“
    Lillian nickte und atmete seinen angenehmein Duft ein, einen Hauch von Eau de Cologne, eine Spur von Rasierseife und den frischen Geruch von sauberer Haut.
    „Hier?“, fragte er leise. „Oder im Garten?“
    Als sie erkannte, dass er sich mit ihr zusammen für ein paar Minuten davonstehlen wollte, wurde sie vorsichtig.
    Allein mit St.Vincent im Garten – zweifellos hatte damit der Niedergang so manch einer unvorsichtigen Frau begonnen. Während sie über den Vorschlag nachdachte, ließ sie den Blick umherschweifen, bis sie Westcliff entdeckte, der gerade eine andere in die Arme zog. Und mit ihr Walzer tanzte, wie er es vorhin mit Lillian getan hatte. Der für immer unerreichbare Westcliff, dachte sie, und Ärger stieg in ihr auf. Sie wollte sich ablenken – getröstet werden. Und der große, gut aussehende Mann vor ihr schien gewillt zu sein, all das zu bieten.
    „Im Garten“, sagte sie.
    „Dann treffen wir uns in zehn Minuten. Es gibt dort einen Nixenbrunnen gleich hinter dem …“
    „Ich weiß, wo das ist.“
    „Wenn es Ihnen nicht gelingt, hinauszukommen …“
    „Es wird mir gelingen“, versicherte sie und zwang sich zu einem Lächeln.
    St. Vincent hielt inne, um sie mit einem gerissenen, aber seltsam mitleidigen Blick zu betrachten. „Ich kann dafür sorgen, dass es Ihnen besser geht, Süße“, flüsterte er.
    „Tatsächlich?“, fragte sie, und dabei wurden ihre Wangen flammend rot.
    In seinen schimmernden Augen erschien ein viel versprechender Glanz, und er nickte kurz, ehe er davonging.

13. KAPITEL
    Nachdem sie Daisy und Evie gebeten hatte, ihr Deckung zu geben, verließ Lillian mit den beiden zusammen den Ballsaal unter dem Vorwand, sich zurechtmachen zu müssen. Ihrem rasch entworfenen Plan zufolge würden die beiden Mädchen an der rückwärtigen Terrasse warten, während Lillian sich mit Lord St. Vincent im Garten traf.
    Wenn sie danach wieder in den Ballsaal zurückgingen, würden sie Mercedes versichern, die ganze Zeit über zusammen gewesen zu sein.
    „B-bist du sicher, dass es für dich ungefährlich ist, dich mit Lord St. Vincent allein zu treffen?“, fragte Evie, während sie zur Eingangshalle gingen.
    „Todsicher“, erwiderte Lillian zuversichtlich. „Vielleicht wird er versuchen, sich eine Freiheit herauszunehmen, aber darum geht es doch, oder? Außerdem möchte ich herausfinden, ob mein Parfüm auf ihn wirkt.“
    „Es wirkt auf überhaupt niemanden“, meinte Daisy

Weitere Kostenlose Bücher