Herbstfeuer
meistbesuchten Orten in ganz England.
Es gefiel Marcus, ständig eine mehr oder weniger große Anzahl von Gästen auf seinem Landsitz zu beherbergen.
Auf diese Weise hatte er stets Gesellschaft bei Jagd und Sport, außerdem konnte er – scheinbar wie nebenbei – seinen Einfluss in der Welt der Finanzen und Politik geltend machen. Auf seinen Festen wurden alle möglichen Geschäfte ausgehandelt, bei denen Marcus oft genug einen bestimmten Politiker oder Fachmann für wichtige Angelegenheiten auf seine Seite ziehen konnte. Dieses Fest sollte sich in keinerlei Hinsicht von anderen unterscheiden, aber in den letzten Tagen war Marcus von einem wachsenden Unbehagen heimgesucht worden. Als nüchtern denkender Mensch glaubte er nicht an Vorahnungen oder irgendeinen anderen spirituellen Unsinn, wie er gerade in Mode war, dennoch erschien es ihm, als hätte etwas die Atmosphäre auf Stony Cross Park verändert.
Erwartungsvolle Anspannung schien die Luft zu erfüllen, wie die Ruhe vor einem Sturm. Marcus fühlte sich rastlos und ungeduldig, und keine körperliche Anstrengung schien seine wachsende Beunruhigung zu lindern.
Während er an den bevorstehenden Abend dachte, wohl wissend, dass er mit den Bowmans Umgang pflegen musste, stellte er fest, dass er so etwas wie Furcht verspürte. Er bedauerte, sie eingeladen zu haben. Tatsächlich würde er gern jedes potenzielle Geschäft mit Thomas Bowman opfern, wenn er sie auf diese Weise loswerden könnte. Doch sie waren nun einmal hier und würden vermutlich einen Monat bleiben, also konnte er genauso gut das Beste daraus machen.
Marcus beabsichtigte, mit Thomas Bowman ernsthaft darüber zu verhandeln, dessen Seifenfabrik zu vergrößern und eine Niederlassung in Liverpool zu errichten oder vielleicht auch in Bristol. Marcus war beinahe sicher, dass die britische Seifensteuer in den nächsten Jahren aufgehoben würde, falls er seinen liberalen Verbündeten im Parlament trauen durfte. Sobald das geschah, würde Seife für den einfachen Mann erschwinglicher werden, was gut wäre für die öffentliche Gesundheit – und praktischerweise auch für Marcus’ Bankkonto, vorausgesetzt, Bowman war bereit, ihn zu seinem Partner zu machen.
Allerdings änderte nichts etwas an der Tatsache, dass ein Besuch Thomas Bowmans auch bedeutete, seine Töchter ertragen zu müssen. Lillian und Daisy waren Musterexemplare jener amerikanischen Erbinnen, die nach England kamen, um einen Ehemann zu ergattern. Der Adel wurde gejagt von ehrgeizigen Misses, die mit einem abscheulichen Akzent sprachen und danach lechzten, in den Zeitungen genannt zu werden. Ganz ohne jede Anmut, waren die jungen Frauen laut und überheblich, während sie versuchten, einen Adligen mit dem Geld ihrer Eltern einzufangen, was ihnen oft genug sogar gelang.
Marcus hatte die Bowman-Schwestern bei ihrem letzten Besuch auf Stony Cross Park kennengelernt und wenig entdeckt, das ihn veranlasst hätte, auch nur eine von beiden mit Wohlwollen zu betrachten. Lillian, die ältere, war in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit geraten, als sie zusammen mit ihren Freundinnen – die Mauerblümchen nannten sie sich, als wäre das etwas, worauf man stolz sein könnte! – einen Plan entwickelt hatte, um mittels einer Falle einen Adligen zur Ehe zu zwingen. Nie würde Marcus den Moment vergessen, als der Plan enthüllt worden war. „Gütiger Himmel, gibt es nichts, vor dem Sie zurückschrecken?“, hatte Marcus Lillian gefragt. Und sie hatte kühn erwidert: „Falls ja, so habe ich es noch nicht entdeckt.“
Ihre außerordentliche Unverschämtheit unterschied sie von allen anderen Frauen, die Marcus kannte. Das und das Spiel, das sie in ihrer Unterwäsche gespielt hatte, hatten ihn davon überzeugt, dass Lillian Bowman ein Satansbraten war. Und hatte er erst einmal eine Meinung über jemanden gefasst, so änderte er selten seine Ansicht.
Mit gerunzelter Stirn dachte Marcus darüber nach, wie er am besten mit Lillian Bowman umgehen sollte. Er würde ganz kühl und gelassen bleiben, wie sehr sie auch versuchte, ihn zu provozieren. Zweifellos würde sie wütend werden, wenn sie merkte, wie wenig sie ihn interessierte. Wenn er sich ihre Verwirrung vorstellte, weil sie nicht beachtet wurde, fühlte er, wie der Druck in seiner Brust nachließ. Ja – er würde sein Möglichstes tun, um ihr aus dem Weg zu gehen, und sollten ihn die Umstände dazu zwingen, sich im selben Raum mit ihr aufzuhalten, würde er sie mit kühler Höflichkeit
Weitere Kostenlose Bücher