Herbstfraß
mir meine Jacke. Strafend boxe ich ihn in die Rippen.
„Du bringst Isa in Verlegenheit.“
„Das tun wir beide. Regelmäßig. Es endet mit dem Vertilgen von Berlinern.“
Im trauten Einvernehmen grinsen wir beide.
„Ihr habt nicht zufällig einen Bruder in petto, der hetero ist?“, erkundigt sich Louisa. Sie lächelt uns an, trotzdem sieht sie traurig aus.
„Ich könnte meinen Eltern vorschlagen, schnell noch einen zu produzieren.“ Ich gebe ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Ach Isa, irgendwann findet sich der Richtige.“
13:06 Uhr
Ein Lehrer, der die Pausenaufsicht hat, zeigt mir Ingos Freund Stefan Posel. Der steht zusammen mit einigen Schulkameraden in einer Ecke und sieht sich mit ihnen irgendein Filmchen an, das auf einem iPhone läuft. Wir haben früher auf dem Schulhof heimlich geraucht oder blöde Sprüche an die Kabinenwand der Toiletten geschrieben. So ändern sich halt die Zeiten.
„Kann ich mal mit dir sprechen, Stefan?“, frage ich und zeige ihm meinen Ausweis. Überrascht schaut mich Stefan an, liest, was auf dem Ausweis steht und reißt die Augen auf.
„Sie sind Detektiv?“
Auch seine Freunde horchen jetzt auf.
„Richtig. Ich suche nach Ingo. Seine Eltern sind in ziemlicher Sorge um ihn und ich hoffe, dass du mir ein paar Fragen beantworten kannst. Können wir uns da hinten unterhalten? Dort ist es etwas ruhiger.“
Stefan nickt und geht mit mir ein paar Schritte in Richtung eines Musikpavillons.
„Was wollen Sie wissen?“
Stefan ist nicht gerade groß, dafür stämmig. Er trägt billige Klamotten und in seinem Gesicht blühen mehrere Pickel. Er wirkt nicht wie jemand, der mit dem gut aussehenden Ingo aus reichem Hause befreundet ist.
„Wann hast du Ingo das letzte Mal gesehen?“, frage ich.
„Am Freitag hier in der Schule. Er hat mit Sabine gestritten, weil er ihr schon wieder abgesagt hatte. Sabine ist seine Freundin.“
„Wo wollte er denn so dringend hin, wenn er dafür seine Freundin versetzt?“
Stefan zuckt mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen?“
„Was hat er denn sonst gemacht, wenn er nicht im Informatikkurs oder bei seinem Vater im Architektenbüro war?“
„Hören Sie, Ingo hat in letzter Zeit nicht viel mit mir geredet. Ich habe keine Ahnung, was er außerhalb der Schule trieb.“
„Mir wurde gesagt, ihr würdet befreundet sein.“
Stefan schnaubt abfällig. „Schöner Freund, mit dem man seit Wochen nichts unternehmen kann. Er ist ja so schwer beschäftigt, dass er nicht einmal mehr in den Kurs kommt.“
„Wie? Er war seit Wochen nicht im Informatikkurs?“, frage ich aufhorchend nach. Stefan verzieht überheblich das Gesicht.
„Haben seine Eltern das gar nicht gewusst?“, frage ich weiter.
„Ich glaube, mit seinen Eltern redet er nicht viel.“
Den Eindruck kann ich getrost teilen.
„Hat er sich von dem Kurs abgemeldet?“
Stefan schüttelt den Kopf. „Nein. Er ist einfach nicht aufgetaucht. Unser Kursleiter ist fuchsteufelswild. Ingo ist sein Vorzeigemitglied. Er kann verdammt gut programmieren. Dieses Jahr soll er bei einem Landeswettbewerb starten und unser Kursleiter hat sich extra ein Übungsprogramm für ihn ausgedacht.“
„Mit wem trifft sich Ingo sonst so?“, erkundige ich mich.
„Nur mit Sabine und mir. Er ist nicht sehr beliebt, weil er immer mit der Kohle seiner Eltern angibt. Außerdem verarscht er die Mädchen. Mit Sabine ist er allerdings bereits länger zusammen, wenn auch bloß nach außen hin. Ingo betrügt sie ständig. Das bekommt Sabine, dieses Blondchen, überhaupt nicht auf den Schirm.“
„Und die Mädchen fahren auf ihn ab, obwohl er nicht sehr beliebt ist?“
Stefan zuckt mit den Schultern. „Er ködert die Hühner mit der Kohle. Das zieht bei den meisten.“
Mittlerweile bin ich doch ein wenig erstaunt. Es kristallisiert sich heraus, dass Ingos Mutter ein völlig verqueres Bild von ihrem braven Sohn hat.
„Im Informatikkurs ist Ingo übrigens der totale Außenseiter, falls das für Sie von Interesse ist. Er hält sich nie an die Vorgaben des Lehrers, sondern programmiert für sich drauf los. Wenn er nicht so hervorragende Leistungen bringen würde, hätte man ihn längst rausgeworfen.“
„Dafür, dass du sein Freund bist, sprichst du nicht gerade besonders gut über ihn“, sage ich.
Stefan zuckt mit den Schultern. „Ingo kann ganz anders sein, wenn wir zu zweit unterwegs sind. Und im Gegensatz zu den anderen begreife ich durchaus, dass es nicht sein Geld ist, mit dem
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