Herbstfrost
Monitor und einen ganz bestimmten Fotoabzug
betrachtete.
»Vom Vorspiel hältst du wohl überhaupt nichts, was? Kommt immer
gleich zur Sache, der Herr Hauptmann. Aber warum hast du nicht gleich gesagt,
dass du dieses Adressenheft suchst? Dann hätte ich Schremmers Wohnung gar nicht
auf den Kopf stellen müssen.«
»Ich hatte doch zuerst auch keine Ahnung, wonach wir suchen sollten.
Ich schwör’s! Hans zählte auf, was du in der Wohnung gefunden hast, unter
anderem auch dieses Heft, und da wollt ich es mir ansehen. Wo war’s denn? Lag’s
nur so rum, oder war’s versteckt?«
»Es war versteckt. Aber nicht im Safe. Da hab ich gar nicht erst
rumprobiert, du hattest mir ja Schremmers Hausbar im Bücherbord so warm
empfohlen. Das Heft steckte dort unter der verschraubten Zinkbodenplatte.«
»Und trotzdem hast du’s gefunden?«, staunte Weider.
Kotek zeigte ihm den Stinkefinger. »Warum übernimmst du nicht selbst
die Deppenarbeit, wenn du sie mir nicht zutraust, Hans? Ich hab euch Machos
wirklich satt! Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird unterstellt, eine Frau
könnte einen Schraubenzieher nicht von einem Gurkenschäler unterscheiden.«
»Melanie, bitte.« Jacobis melancholischer Dackelblick bremste Kotek.
»Und du, Hans, spar dir deine sexistischen Bemerkungen.«
»Sexist–?« Weider schnappte nach Luft. »Was, bitte, war daran denn
jetzt sexistisch? Ich hab das doch nicht im Entferntesten –«
»– so gemeint. Ich weiß«, ergänzte Jacobi. »Aber darüber
philosophieren wir ein andermal. Jetzt haben wir nicht die Zeit dafür. Also,
Melanie?«
»Es handelt sich um ein privates Adressheft – ohne Bezug zu
irgendwelchen Recherchen. Neben sage und schreibe siebenundzwanzig Namen und
Anschriften von Damen und den dazugehörigen Telefonnummern stehen die Daten von
Kollegen und Freunden Schremmers drinnen, darunter auch die von Ruth Maybaum
und Paul Basidius. Diese Adressen hab ich mir zuerst angesehen, aber keine
davon käme als Unterschlupf für Jutta Dietrich in Frage. Also hab ich mir die
Damen vorgenommen. Und siehe da, bei einer gewissen Aurelia Fahrendt, Frau
eines Frankfurter Industriellen, bin ich fündig geworden! Ihr Mann, Eduard
Fahrendt, besitzt ein Jagdhaus auf der Bockkar-Hochalm im Seidlwinkltal, mitten
im Naturschutzgebiet, und Schremmer wiederum könnte einen Schlüssel zum Haus
haben.«
»Bist ein Schatz, Melli.« Jacobi sagte es etwas gedankenlos, und
diese Beliebigkeit machte Kotek traurig.
Weider schüttelte verärgert den Kopf. »Es gehört zwar nicht hierher,
aber ich wüsste nur zu gern, wie die Bonzen es immer wieder schaffen, selbst
die strengsten Naturschutzgesetze zu unterlaufen. Wie kann dieser Fahrendt auf
einer Alm im Nationalpark nur ein Jagdhaus hinbauen?« Weider sympathisierte mit
den Grünen, und Kungeleien zulasten des Naturschutzes erbosten ihn besonders.
»Das ist ganz einfach«, erklärte Kotek. »Irgendwo auf einem mehr
oder weniger schön gelegenen Platz steht eine mehr oder weniger verfallene
Hütte. Man schließt sich mit Grundbesitzern und Kommunalpolitikern kurz, bietet
an, die Hütte zu restaurieren, pachtet sie auf hundert Jahre zu einem
entsprechend lukrativen Pachtzins, und schon ist der Deal gelaufen. Quod licet Jovi, non licet bovi! Und nur einige Jahre später interessieren wehleidige Kommentare verschrobener
Naturschützer über den nicht genehmigten Ausbau keine Sau mehr.«
Stubenvoll stürzte herein. »Raphael Conte hat gerade den
Schremmer interviewt!«
Jacobi fluchte wie ein Fernfahrer. Raphael Conte, der eigentlich
Ignaz Gallwieser hieß, war der gefürchtetste Klatschkolumnist der »K. u. K.«.
Wer ihm in die Hände fiel, hatte zwei Möglichkeiten: Entweder bat er um gut
Wetter, oder er konnte seinen Leumund an der Garderobe abgeben.
»Woher, zum Kuckuck, bekommt dieser Schnüffler nur immer seine
Tipps? Das würde mich wirklich interessieren.« Weiders Empörung war echt.
Diskretion in dienstlichen Belangen war für ihn Ehrensache – zumindest schätzte
er sich selbst so ein.
»Er hat keinen Tipp bekommen«, erklärte Stubenvoll, »diesmal war er
rein zufällig vor Ort. Er saß im ›Welikije-Luki‹, weil er Material über illegal
eingeschleuste Mädchen aus dem ehemaligen Ostblock gesammelt hat.«
»Wen das Schicksal schlagen will, dem schickt es die Journaille«,
murmelte Jacobi düster.
Stubenvoll druckste herum. »Na ja, Schremmer hat sich ganz gut aus
der Affäre gezogen.«
»Wie?«, fragten Kotek, Weider und Jacobi
Weitere Kostenlose Bücher