Herbstmilch
ich mich nicht von ihm sehen lassen durfte, weil ich mit den Ochsen gleich wieder aufs Feld mußte, da hab ich zu meinem Mann gesagt, solang du im Krieg bist und die Umstände so bleiben, mag ich kein Kind mehr. Mir reicht’s! Und die Schwiegermutter hätte mich ja am liebsten schon bei der Entbindung tot gesehen. Die Pille gab es damals noch nicht. Beim nächsten Urlaub brachte halt mein Mann das damals übliche Verhütungsmittel mit.
Weil ich nicht nur für Männer sorgen mußte, sondern auch zwei Weiber hatte, konnte ich wieder einmal erfahren, daß an meiner Schwiegermutter alles dran war. Eines Tages, mein Mann war wieder im Krieg, bin ich mit meinen Ochsen aufs Feld. Da gingen die hübschen zwei Weiber zum Stöbern. Es war ja für sie nichts schöner, als meine Sachen durchzusuchen, nach einem Liebesbrief oder was man sonst bei jemand finden kann, der einer Mutter das Liebste, ihren Sohn, weggenommen hat. Ich kam vom Feld heim, es mußte jetzt die Stallarbeit gemacht werden, nebenbei das Haus, das Kind und das Essen.
Alle waren in der Stube, ich kam dazu, da kam die Tante zur Tür herein mit einem leeren, sauberen Weckglas. Mit einer Hand zog sie den Gummi aus dem Weckglas, ging auf mich zu und sagte, was ist denn dös? Ich dachte ganz schnell, wie ist das möglich? Wir, mein Mann und ich, hatten doch alles versteckt. Ich wär am liebsten in ein Mausloch versunken. Im gleichen Moment behielt ich die Nerven, ging auf die Tante zu, nahm ihr das Ding aus der Hand und sagte, des woas i net, des kann a Wursthaut sein, und schon hatte ich das Ding im Ofen verschwinden lassen. Da waren wahrscheinlich alle überrascht, weil das ohne weiteres Theater vor sich gegangen ist. Meine Schwiegermutter hatte sich alles bestimmt anders vorgestellt. Wenn auch so ein Pech auf einen zukommt! Da muß man auf alles gefaßt sein, und Glück muß man haben.
Merkwürdig war für mich nur, daß die Tante da ohne Stock gehen konnte. Und sie hatte wahrscheinlich auch selber erst eine Aufklärung über sich ergehen lassen müssen, weil sie ja früher nur auf einem Pfarrhof gedient hatte. Wahrscheinlich hatte die Schwiegermutter sie aufgeklärt.
*
Meine beste Aufmunterung während des ganzen Kriegs war meine Nachbarin. Sie war ehrlich, nett, Taglöhnerin und arm. Wenn wir draußen auf den Wiesen und Feldern waren, haben wir alle Sorgen bei ihr und mir ausgesprochen. Meistens war uns danach wieder zufriedener und leichter. Sie hat mir auch sehr leid getan, weil sie Asthma hatte, und wenn wir uns über etwas sehr gefreut haben und lachen mußten, bekam sie oft einen Hustenanfall. Dann hat sie immer wieder eine Asthmazigarette geraucht.
Sie jammerte gern über ihren Mann, der war in einem Bergwerk. Sie wäre ganz zufrieden gewesen, wenn er auch Geld heimgebracht hätte, aber auf seinem Heimweg ging die Straße leider bei einem Wirtshaus vorbei, und da mußte der Gute immer rasten. Wenn er dann heimkam, am Morgen oder gegen Morgen, war das Geld versoffen. Da stand die gute Frau nun da. Sie hat mir eine Fotografie von sich gezeigt. Sie war früher ein schönes Mädchen und hatte von ihren Eltern ein kleines Anwesen geerbt. Ihr Liebhaber, ein Maurer, dem schmeckte das Bier, und man hatte ihr abgeraten, ihn zu heiraten. Aber gegen die Liebe war halt nichts zu machen!
Sie erzählte mir auch, wie es ihr ergangen ist, als sie zum erstenmal zusammen waren. Sie sagte zu ihm, paß fei auf, wenn’s dir kommt. Hinterher war sie doch ein wenig in Zweifel und fragte ihn, hast du auch aufgepaßt? Er drauf in aller Einfalt, warum, es ist eh niemand gekommen. Da war sie nicht gerade beruhigt, es hat aber keine Folgen gehabt.
Sie haben also geheiratet, und zehn Jahre später war ihr Anwesen vertrunken, statt Liebe gab es Schläge, das Anwesen wurde versteigert, und ihr Mann ging zum Autobahnbau. Sie zog mit ihren zwei Kindern zu einem Bauern in Dienst, damit sie wenigstens zu essen hatten. Und da ergab es sich, daß sie zu einem dritten Kind von dem Bauern kam, wodurch das Leben nicht leichter wurde. Schließlich zogen sie in unsere Gegend und bauten in einer Waldlichtung ein Häuschen. Die Not war ihr ständiger Begleiter.
Was die alles mitgemacht hat, und ist so eine brave Frau gewesen! Der Mann ist auf den Großbaustellen gewesen, und wenn er einmal heimkam, da ging er immer ins Wirtshaus auf eine Maß, dann wurden es mehrere, und der Wirt hielt ihn fest und andere Saufbrüder auch, bis er einen Mordsrausch hatte. Die Frau schickte ihm einen
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