Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
antwortet er ungehalten. Auf seiner Stirn stehen kleine Schweißtropfen.
»Vielleicht
können wir sie durchschneiden und die braunen Stellen schon essen?«
Ich fange
mir böse Blicke ein und verkrümele mich zu Vicki, die genüsslich an einer sauren
Gurke knabbert.
»Sag bloß
nichts«, warne ich sie.
»Keine Sorge!«
Sie grinst. »Ich finde, grillen macht Spaß.«
Daniel hat
sie trotzdem gehört und wirft ihr einen nicht gerade zärtlichen Blick zu.
Vicki angelt
eine weitere Gurke aus der Tupperschüssel. Ich habe einen Riesenhunger.
Der entspannte
Grillnachbar hat sich unterdessen zu Daniel und Basti gesellt und gibt fachkundige
Tipps. Ein Mann guckt interessiert zu uns herüber. Ich weiß nicht, warum, aber ich
möchte nicht in der Haut unserer Freunde stecken. Soweit ich das beurteilen kann,
halten die Herren der Schöpfung es nur sehr schwer aus, wenn sie etwas nicht im
Griff haben. Und es ist eindeutig, dass Herr Doktor und Herr Architekt gerade von
zwei 1,99-Euro-Wegwerfgrills beherrscht werden. Nicht umgekehrt. Und das vor Zeugen.
Ich finde,
die Würstchen sind nun auch mit viel gutem Willen und Hühneraugen zudrücken nicht
mehr als dunkelbraun zu bezeichnen – jedenfalls in der Mitte.
Die Frauen
vom Nachbargrill gucken mitleidig zu uns herüber, während sie goldbraune Garnelen
von weißen Porzellantellern speisen und sich mit Stoffservietten den Mund abtupfen.
»Grillen
ist ungesund«, sage ich laut und nehme mir einen Teller mit Kartoffelsalat.
»Fertig«,
sagt Basti fröhlich und klatscht mir eine krüppelige, schwarz-weiße Stange auf den
Teller, die mal ein gegrilltes Würstchen hätte werden sollen.
»Mit viel Senf und Ketchup wird es schon gehen«, sagt Vicki,
die anscheinend beschlossen hat, ihren Mann nicht mehr zu ärgern.
Ihre Gesichtsfarbe ist allerdings leicht grünlich. Vielleicht
haben die sauren Gurken abgefärbt. Tapfer hebe ich die Gabel mit dem ersten Würstchenstück
an den Mund. Es ist weiß und wohl nur lauwarm. Dass ich es essen werde, ist ein
echter Liebesbeweis (oder einfach dämlich).
»Roooosa«, kreischt da jemand. Etwas springt mir von hinten
an den Hals.
Vor Schreck
lasse ich die Gabel fallen. Das unappetitliche Häppchen landet im Gras. Jetzt kann ich es nicht mehr essen. Das muss Basti verstehen.
Meine Schwester
Lila gibt mir ein Küsschen auf die Wange. »Was macht ihr denn hier?«, fragt sie
strahlend, nachdem sie Vicki umarmt hat.
»Wir grillen«,
sage ich munter. »Und du?«
»Wir auch,
dahinten, mit Robs Kollegen.« Sie zeigt mit dem Finger in die Richtung, aus der
besonders gewaltige Rauchschwaden wabern. »Sie heizen gerade an. Und ihr habt bereits
gegessen und lasst die Reste verbrennen?«
Sie guckt
skeptisch auf unsere rauchenden Aluminiumschalen.
»Pssst«,
machen Vicki und ich gleichzeitig.
»Mir reicht
es«, sagt Daniel und fegt die Würstchen vom Grill direkt ins Gras.
Lila guckt
betroffen. »Habe ich was Falsches gesagt?«
»Neiiiin«,
beteuern Vicki und ich und schütteln die Köpfe.
»Na, Leute?«
In dem Moment kommt Rob dazu und begrüßt uns nacheinander mit Handschlag.
»Ihr kommt
zu uns rüber, oder?«, fragt er unkompliziert, nachdem er einen unauffälligen Zehntelsekundenblick
auf unser Grilldesaster geworfen hat. »Bier ist kalt, Buletten gleich heiß. Alles
klar?«
Daniel und
Basti nicken erleichtert. Ich könnte Rob küssen. Was ich aber nicht tun werde, denn
schließlich ist er mein Exfreund, und es kommt wohl nicht gut rüber, wenn ich ihm
zu nahe trete. Wie er allerdings mit einem Satz unser reichlich verfahrenes Picknick
gerettet hat, das war einfach große Klasse.
Wir packen
unsere Sachen und schleppen sie zu Rob und seinen Kollegen.
Die heißen
Grillschalen müssen wir vorerst stehen lassen. Wir werden sie später entsorgen,
wenn sie abgekühlt sind. Als ich mich etwas schuldbewusst noch einmal umdrehe, sehe
ich, wie zwei große Mischlingshunde gierig an den im Gras liegenden Würstchen schnuppern.
»Benny,
Jonny. Aus! Pfui! Werdet ihr wohl …!« Das Herrchen der beiden pfeift. Die Tiere
trotten widerwillig zu ihm.
»Um Gottes
willen, meine Babys«, sagt Frauchen beim Anblick unseres zurückgelassenen Essens
entsetzt. »Ihr hättet euch vergiften können.«
Ich bin
heilfroh, dass Basti und Daniel schon bei Rob und somit außer Hörweite sind.
Erst als es
zu dämmern anfängt, kehren wir nach Hause zurück.
Es war ein lustiger Abend. Wir haben gequatscht, gelacht,
getrunken und vor allem: viel und gut
Weitere Kostenlose Bücher