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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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ziemlich kalt. Ich bin wirklich spät dran, aber nach diesem verrückten
Abend und meinen noch verrückteren Gedankenspielen in der Nacht habe ich wie ein
Stein geschlafen und den Wecker heute Morgen nicht gehört.
    »Ich bleibe
dafür länger.«
    »Basti war
vorhin hier«, sagt Margret.
    »Waaas?
Wieso das denn?«
    »Er wollte
dich zum Frühstücken ins Schraders einladen. Wir haben ihn nach Hause geschickt,
nachdem er uns fast im Sitzen eingeschlafen ist, als du nicht kamst. Wozu hast du
eigentlich ein Handy, wenn du es nie anstellst?«
    Ja, warum
eigentlich?
    Heute Morgen
habe ich beschlossen, es zu Hause zu lassen, denn ich will keine weitere SMS von
Leo bekommen, die mich total verstört.
    Und auf
Anrufe von Basti, in denen er mir erklärt, dass er lieber mit der tollen Antonia
an Tumoren herumschnippelt, als mit mir ins Kino zu gehen, kann ich ebenfalls verzichten.
Handys sind doof.
    »Ich habe
es verbummelt«, schwindele ich Margret an.
    »Jedenfalls
hast du Basti verpasst, und so, wie du guckst, vermute ich, dass ihr mal wieder
Ärger habt.«
    »Aber nicht
meinetwegen«, kläre ich sie auf. »Basti ist schuld. Er hat mich gestern einfach
versetzt.«
    »Dafür ist
er heute gekommen«, verteidigt Margret ihn – war ja klar. »Um sich bei dir zu entschuldigen!
Und nun stell dich nicht so mädchenhaft an.«
    »Guckst
du«, sagt Jola und hält mir eine druckfrische B.Z. unter die Nase.
    Gleich auf
dem Titel ist eine schlimm entstellte Frau zu sehen. Direkt unter ihrem Kinn wächst
eine riesengroße Geschwulst. ›Berliner helfen. Ehrensache!‹, lautet die Überschrift.
Darunter ein Spendenaufruf und ein kleines Foto von Basti und Antonia, die als behandelnde
Ärzte vorgestellt werden – in ihren blitzweißen Kitteln, aus deren Taschen Stethoskope
lugen, lächelnd, Basti mit Brille, Antonia mit Dutt – Bilderbuchärzte, alle beide.
    »Guckst
du, was du für eine tolle Basti hast«, sagt Jola.
    »Ja«, gebe
ich einsilbig zurück.
    ›Sie stehen
da, als wollten sie sich gleich das Ja-Wort geben‹, sagt die miese, eifersüchtige
Rosa in mir.
    ›Dein Freund
wird dieser armen Frau ihr Gesicht wiedergeben‹, sagt die edle, großmütige Rosa
in mir.
    Die gute
Rosa gewinnt. Ich bin stolz auf Basti. Schließlich will ich nicht die einzige Berlinerin
sein, die der armen ukrainischen Frau nicht alles Gute wünscht. Trotzdem seufze
ich.
    »Bist du
eifersüchtig?«, fragt Margret, die meinen Blick genau bemerkt hat.
    »Sie ist
seine Exfreundin«, sage ich leise und zeige auf Antonia. »Er wollte sie eigentlich
heiraten, kurz bevor ich ihn kennengelernt habe.«
    Margret
zuckt die Schultern. »Das ist doch Schnee von gestern, Kind. Heute will er mit dir
zusammen sein.«
    Ich seufze.
    »Und er
war ziemlich geschafft. Ist gerade erst von der Nachtschicht gekommen.«
    Jetzt habe
ich ein schlechtes Gewissen. Warum kann ich nicht darauf vertrauen, dass er mich liebt und nicht mehr Antonia? Die Antwort ist sonnenklar.
    Weil durch
meine Gedanken neuerdings ein blonder, braunäugiger Mann spukt, obwohl ich Basti
liebe. Oder?
    Psychologen
nennen das Projektion. Weil ich mir und meiner eigenen Treue nicht trauen kann,
vertraue ich ihm nicht.
    Nachdenklich mache ich mich an die Arbeit und blicke erst
wieder auf, als mich meine Kolleginnen fragen, ob ich mit rüber zum Mittagessen
komme. Ich schüttele den Kopf, denn erstens habe ich keinen Hunger und zweitens
hoffe ich, dass Basti vielleicht noch einmal vorbeischaut, wenn er ausgeschlafen
hat. Von seiner Wohnung im Prenzlauer Berg hierher ist es nicht weit.
    Leider lässt er sich nicht blicken. Stattdessen steht plötzlich
Vicki in der Werkstatt – blass, aber lächelnd. »Mensch, habe ich dich vermisst«,
sagt sie und fällt mir um den Hals.
    »Dito! Wo warst du so lange?«
    »Gar nicht
weit weg. Bei einer Freundin aus Studientagen in Zehlendorf.«
    »Was? So
nah!«
    Vicki lacht.
»Hast du gedacht, ich mache eine Weltreise?«
    »Ehrlich
gesagt, will ich viel lieber wissen, wie es dir geht.«
    »Hast du
Zeit für einen Spaziergang?«
    Ich nicke.
Für Vicki habe ich immer Zeit, zumal Margret und Jola gleich vom Essen zurückkommen
werden.
    »Ich werde
das Baby behalten«, beantwortet Vicki meine unausgesprochene Frage, kaum dass wir
die Werkstatt verlassen haben. Es klingt, als müsste sie sich selbst davon überzeugen,
dass es richtig ist. »Egal, was Dani dazu sagt.«
    »Er wird
es lieben«, antworte ich. Ich bin richtig erleichtert.
    »Das wird
er ganz sicher nicht. Rosa, du

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