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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Vicki.
    »Wieso das
denn?«
    Basti fühlt
meinen Puls. »Kann es sein, dass du fix und alle bist?«, fragt er mich. »Du hast
einen Puls wie eine Scheintote.«
    »Wirklich?«
    »Warum sagst
du mir nicht, dass du völlig erschöpft bist?«
    »Ich wollte
dir die Freude an dem Tag nicht verderben«, hauche ich und versuche, wie seit Tagen
schon, mir mein inneres Chaos nicht anmerken zu lassen.
    »Okay, Rosa,
kleine Änderung im Plan: Du gehst noch mal ins Bett«, ordnet Basti an. »Ich fahre
erst einmal alleine zu meinen Eltern und rufe dich von da aus an. Du schläfst dich
aus, später trinkst du einen starken Kaffee und isst etwas. Dann sehen wir weiter.«
    Ich bin
total erleichtert, sodass ich glatt zu heulen anfange. Andererseits schäme ich mich,
denn ich weiß, wie viel Basti das heutige Treffen bedeutet.
    Als er die
Tür öffnet, um zu gehen, geben sich er und Daniel die Klinke in die Hand.
    »Wieso kommst
du?«, fragt Vicki und wird feuerrot.
    »Ich bin
dein Mann«, sagt Daniel, nimmt sie lächelnd in die Arme und küsst sie. »Schon vergessen?«
    Sie schiebt
ihn zur Seite. »Ich habe wahnsinnig viel zu tun«, sagt sie abweisend.
    Ich könnte
direkt noch einmal in Ohnmacht fallen.
    Vicki und
ich – wir haben zwei wunderbare Männer. Und was machen wir? Halten sie zum Narren,
hintergehen und belügen sie.
    »Basti«,
rufe ich ihm verzweifelt nach.
    Es tut mir
alles unendlich leid. Ich will sofort mit ihm zu seinen Eltern gehen und werde Leo
gleich am Montag sagen, dass er nicht mehr auf mich warten soll. Schnell stürze
ich zum Fenster. Aber es ist zu spät. Gerade fährt mein Freund aus der Parklücke.
Mist!
     
    Nach zwei Stunden, in denen ich
mich an Bastis klare Anweisungen gehalten, geschlafen, einen Apfel gegessen und
Kaffee getrunken habe, geht es mir tatsächlich besser.
    Vicki und
Daniel sind zu einem Herbstspaziergang in den Tiergarten aufgebrochen (er hat sie
mühsam überredet), und ich bin ebenfalls unternehmungslustig. Also greife ich zum
Handy und rufe Basti an.
    »Wir kommen
vorbei«, schlägt er vor. »Ist das okay?«
    Eine halbe
Stunde später klingelt es und dann stehen sie vor mir: ein entzückendes, strahlendes
Vater-Tochter-Gespann. Beim Anblick des kleinen, zierlichen Mädchens schmilzt mein
Herz sofort. Ihre blonden Flechtzöpfchen und die Zahnlücke im Oberkiefer sind schuld.
Süßer geht es gar nicht.
    »Heute Nacht
war die Zahnfee da«, sagt sie und zeigt mir voll Stolz eine quietschrosafarbene
Prinzessin-Lillifee-Box. »Guck!« Sie präsentiert mir zuerst ihre frische Zahnlücke
und dann den winzigen Schneidezahn in der Schachtel.
    Null Berührungsängste.
    »Und? Was
hat sie dir gebracht, die Zahnfee?«, frage ich.
    »Reitstiefel«,
antwortet Juli strahlend. »Ich hoffe, beim nächsten Zahn kriege ich eine Weste dazu.
Die wünsch ich mir schon lange.«
    »Kannst
du denn reiten?«
    »Ich lerne
es gerade. Auf einem Pony. Es heißt Stella, ist ganz schwarz und hat einen weißen
Fleck auf der Stirn, der aussieht wie ein Stern.«
    »Wollt ihr
beiden nicht hereinkommen?«, frage ich.
    Basti zwinkert
mir zu, hebt den Daumen und sieht so glücklich aus, dass ich Herzschmerzen kriege.
    »Ich hab
Hunger«, sagt Julia und hält sich den Bauch.
    »Soll ich
Pfannkuchen machen?«, frage ich.
    »Au ja.«
    »Wisst ihr
was?«, sagt Basti. »Ich mache die Pfannkuchen.«
    »Und wir
spielen!«, schreit Juli glücklich und fasst nach meiner Hand.
    Ich fühle
mich ein bisschen überrannt. Allerdings kann ich, nach dem geglückten Start, kaum
sagen, dass ich nicht mit ihr spielen will.
    »Ich zeig
dir was«, sage ich also und nehme die Kleine mit in mein Zimmer.
     
    Vor Kurzem hat mir Vicki eine wunderschöne
alte Wäschetruhe geschenkt – aus schwerem Holz mit bunten Malereien darauf, Blumen
und Äpfel auf dunklem Grund. Unter dem Hauptfach, das mit einem wuchtigen Deckel
verschlossen ist, befinden sich drei Schubfächer.
    »Als ich
die beim Trödelhändler sah, musste ich gleich an dich denken«, hatte Vicki gesagt,
als zwei Lieferanten das riesige Teil in die Wohnung schleppten. »Vielleicht findest
du da drin ein weiteres verschimmeltes Tagebuch irgendeiner braven Jungfer.«
    Muss ich
nicht haben. Das eine reicht mir.
    Die Truhe
ist ein Traum. Ich habe ein paar alte Klamotten, meine Kleiderstoffe und sämtliche
Nähutensilien darin untergebracht, samt einer umfangreichen Knopfsammlung, die ich
von Oma bekommen habe. Wunderschöne alte Stücke sind dabei – aus Messing, aus Horn,
aus Stoff, reich

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