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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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spürten plötzlich einen unangenehmen Druck, den sie loswerden wollten, indem sie ihn nach unten weitergaben, bis er bei ihm angelangt war. Ergebnisse mussten her – wie aus einem Hut gezaubert. Am besten mit einem Überraschungsmoment wie in einem Zirkus, dachte er.
    Er sah auf die Schilder, die noch vom Sommer im Biergarten hingen und für Augusta Bräu und Wiener Würstchen warben. Er hatte sich einen Kaffee bestellt, der jetzt dampfend vor ihm stand.
    Die Kellnerin brachte ein Stück Zwetschgendatschi. Er hatte irgendwo gelesen, dass die Augsburger für sich beanspruchten, die Erfinder des Blechkuchens mit den in den Mürbteig hineingedrückten Zwetschgen zu sein.
    In dem gleichen Artikel hatte er auch gelesen, dass böse Zungen deshalb Augsburg auch ›Datschiburg‹ nannten. Vielleicht waren es ja die Hessen, Pfälzer oder die Saarländer, die ihn einfach nur Zwetschgenkuchen nannten und ihn mit Hefeteig backten.

    Die ganze Runde saß in der umfunktionierten Einsatzzentrale. Lilian Landhäuser hatte sich neben einen Mann gesetzt, der etwa in ihrem Alter sein mochte. Ihr gegenüber saßen die beiden Kollegen von der Polizei, während Ólafur Davídsson an der Stirnseite saß.
    Wie ein Hahn im Korb oder zwischen zwei Fronten, hatte er gedacht, als er die Aufteilung bemerkt hatte. Für einen kurzen Moment hatte er darüber nachgedacht, aufzustehen und sich auf eine der beiden Seiten zu schlagen, aber er hatte nicht gewusst, wo er ein Ungleichgewicht schaffen sollte.
    In der Mitte stand eine Kanne mit frisch gebrühtem Kaffee und ein Blech mit Zwetschgendatschi, den Davídsson aus dem Fuggerei-Lädle mitgebracht hatte.
    »Der pathologische Bericht liegt nun vor«, sagte Hofbauer. Er lud sich ein Stück von dem Blechkuchen auf einen Teller mit buntem Rand und zeigte anschließend mit der Kuchenschaufel auf den Mann neben Lilian Landhäuser. »Darf ich vorstellen: Dr. Schubert, Gerichtsmedizinisches Institut.«
    Schubert nahm die Kuchenschaufel aus Hofbauers Hand und nahm sich ebenfalls ein Stück vom Blech.
    »Tut mir leid, dass es dieses Mal etwas länger gedauert hat, aber die Toxikologie hatte ihre Probleme mit ein paar Drogentoten. Die Kollegen in München kamen mit den Untersuchungen nicht mehr nach, obwohl sich unser werter Herr Innenminister bei seinen Wahlversprechen besonders dem Kampf gegen Drogen verschrieben hat. Auf den Seziertischen ist davon offenbar nicht viel zu merken.«
    Davídsson hatte die Wahlplakate in der Stadt gesehen. Der bayerische Innenminister hatte seine Wahl zum Ministerpräsidenten von der Halbierung der Anzahl der Drogentoten in Bayern abhängig gemacht und warb damit um Wählerstimmen.
    »Das ganze Wahlbrimborium ist doch ein Witz. Wir hatten in Bayern letztes Jahr 32.168 Rauschgiftdelikte. Das waren schon 3,3 Prozent weniger als im Vorjahr und wir haben 97,8 Prozent aufgeklärt. Ich weiß überhaupt nicht, was der Mann will.« Schedl hatte sich jetzt ebenfalls ein Stück genommen.
    »Es geht ihm ja um die Drogentoten. Nicht um die Fälle oder die Aufklärungsquote«, sagte Hofbauer.
    »Das ist ja der Witz. Die Fälle sollten halbiert werden, dann gäbe es auch nur noch halb so viele Tote.«
    »2007 waren es alleine in Augsburg 17 Drogenopfer, und in Bayern sind im gleichen Jahr 231 Menschen an Drogenmissbrauch elend verreckt. Wie will er diese Zahlen halbieren?«
    »Ohne Wenn und Aber durchgreifen«, antwortete der Gerichtsmediziner.
    »Das sagt der Innenminister.«
    »Rein theoretisch hat er ja auch recht. Wenn man mit den Jungs richtig umgehen würde, wären die alle schon im Knast oder in irgendeiner Besserungsanstalt wie in Amerika.«
    »Rein theoretisch weiß ich auch schon, woran Catharina Aigner gestorben ist«, mischte sich Davídsson in das Gespräch ein. Er hatte keine Lust mehr auf eine Diskussion, die in seinen Augen sinnlos war.
    »Es war dieses Mal nicht das Offensichtliche.« Der Gerichtsmediziner lächelte. Er war anders als die meisten anderen Pathologen, die Davídsson kannte. »Sie ist nicht etwa erstickt, sondern sie ist am Aspirin der Anden gestorben.«
    »Was? Das ist jetzt ein Scherz, oder?« Hofbauer hatte sich bereits das zweite Stück Kuchen genommen, legte jetzt aber die Gabel wieder auf den Teller, um sich vollkommen auf den Gerichtsmediziner zu konzentrieren.
    »Nein. Kein Scherz«, erwiderte Schubert.
    »Da reden wir die ganze Zeit über den Wahlkampf und die Drogentoten in der Stadt und unser Opfer ist an einer Überdosis Kokain gestorben«, sagte

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