Herbstwald
Hofbauer mehr zu sich als zu den anderen.
»Ja, leider.«
»Gibt es Anzeichen dafür, dass ihr das Zeug unter Zwang verabreicht wurde?«
»Ich habe eine kleine Einstichstelle im rechten Unterarm gefunden. Es gibt außerdem Abdrücke auf ihrem Oberkörper, die darauf hinweisen, dass sich jemand auf sie gekniet hat, kurz bevor sie gestorben ist, oder kurz danach. An ihren oberen Extremitäten habe ich außerdem auch Spuren von Halteabdrücken gefunden.«
»Sie wurde also auf den Boden gepresst«, schlussfolgerte Lilian Landhäuser.
»Also hat sie es nicht freiwillig genommen?«, fragte jetzt Hofbauer wieder.
»Allem Anschein nach nicht.«
»Diese Spuren sind so eindeutig, dass sie nicht vom Sterbesakrament stammen können?«, hakte Davídsson nach, der sich eine Notiz dazu in seinen Unterlagen gemacht hatte.
»Dann müsste der Pfarrer dabei schon sehr ungeschickt gewesen sein. Aber danke für den Hinweis. Ich habe nämlich auch Spuren von Oleum Infirmorum auf dem Hals und auf den Handflächen gefunden, was tatsächlich auf das Sterbesakrament schließen lässt.«
»Und die Plastiktüte über dem Kopf und das Gummiband um ihren Hals?«
»Das muss post mortem geschehen sein. Ausgeatmete Luft hat eine relative Feuchtigkeit von 100 Prozent wegen des Wassers, das über die feuchte Oberfläche der Atemwege und der Alveolen diffundiert. In der Plastiktüte haben wir aber keine Tröpfchen gefunden, die wir jedoch hätten finden müssen, wenn sie noch am Leben gewesen wäre, als ihr die Tüte über den Kopf gestülpt worden ist.«
»Dann könnte es tatsächlich eine Art Bestrafung sein, die der Täter dokumentieren wollte«, sagte nun Landhäuser.
»Es spricht zumindest einiges dafür, dass es keine politische Tat war.«
»Aber warum hat der Täter dann Catharina Aigner zuerst mit Drogen vollgestopft, und erst als sie tot war die Haare abrasiert und sie ihr anschließend zusammen mit einer Plastiktüte über den Kopf gezogen? So war es doch?«
Der Gerichtsmediziner nickte.
»Das könnte für ein Ritual sprechen«, sagte Lilian Landhäuser.
»Auf Anhieb ist mir keine andere Tat bekannt, die ähnlich verlaufen ist.« Davídsson überlegte noch einmal kurz. »Ich müsste mir noch einmal die Datenbanken vornehmen, aber soweit ich weiß, gibt es noch keinen derartigen Fallverlauf. Vermutlich ist es auch der erste Mord für den Täter, und somit war die natürliche Hemmschwelle noch sehr hoch. Der Täter wollte sichergehen, dass sich Catharina Aigner nicht bei ihrem Todeskampf wehren würde, bei dem er dann möglicherweise verletzt worden wäre. Die Haare bei lebendigem Leib abzuscheren, hätte bedeutet, dass er Catharina Aigner sehr nahe gekommen wäre, und das setzt ein starkes Vertrauen des Opfers voraus, was bei unserem Fall offensichtlich nicht vorhanden war.«
»Und trotzdem wollte er, dass es so aussieht, als hätte er sie erstickt.«
»Können Sie uns etwas über die Zusammensetzung der Betäubungsmittel sagen?«, fragte Kriminalkommissar Schedl.
»Der Stoff bestand zu 85 Prozent aus Kokainhydrochlorid. Die Wirkung entfaltet sich beim Rauchen oder intravenös am schnellsten. Beim Schnupfen oder Schlucken hätte es zwischen 30 bis 60 Minuten gedauert.«
Schedl pfiff durch die Zähne und verschluckte sich anschließend an einem Kuchenkrümel, der einen fürchterlichen Hustenanfall bei ihm auslöste.
»So etwas findet man sonst nur in der Familienpackung«, sagte er, nachdem sich seine Gesichtsfarbe wieder normalisiert hatte.
»Das ist richtig. Auf der Straße liegt der Anteil am Kokainhydrochlorid bei etwa 35 Prozent. Meistens wird es mit Milchzucker gestreckt, um die Gewinnmarge zu erhöhen.« Der Gerichtsmediziner legte die Kuchengabel auf den Teller und schien für einen kurzen Moment zu überlegen, ob er noch ein drittes Stück vom Zwetschgendatschi nehmen sollte. »Der Täter wollte, dass sie auf jeden Fall sehr schnell stirbt, ohne dass sie sich noch wehren kann. Das spricht für Ihre Theorie«, sagte er schließlich mit Blick auf Davídsson, ohne noch ein Stück zu nehmen.
»Wo kommt man hier in Augsburg an so reines Zeug?«, fragte Landhäuser, die immer noch an ihrem ersten Kuchenstück saß.
»Hier vermutlich gar nicht. Die meiste Verbreitung von Kokain findet man in Frankfurt und Hamburg, aber auch in Köln und Düsseldorf gibt es eine Szene.« Hofbauer schien sich mit dem Thema auszukennen.
»Und was ist mit den Haaren?«
Der Pathologe rutsche mit seinem Stuhl ein Stück nach hinten und
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