Herbstwald
Informationen dabei helfen sollten, dass sie zukünftig besser zusammenarbeiteten.
»Zuerst Köln, dann Frankfurt und Wiesbaden und jetzt Berlin.« Landhäusers Gesicht wurde in ein tiefes Rot getaucht. Die Ampel vor ihr strahlte in die Dunkelheit. »Auch als Polizist muss man heute mobil bleiben.«
Die Farbe in ihrem Gesicht änderte sich und Davídsson beschleunigte den Chrysler .
»Bevor ich endlich in Berlin gelandet bin, musste ich wieder zurück nach Köln. Mein Vater hatte einen Schlaganfall und wurde damit zum Pflegefall. Ich hatte Glück, dass die Ausbildung zur polizeilichen Fallanalytikerin fünf Jahre dauert. Meine Mutter hätte das nicht alleine geschafft. Ich bin ein Einzelkind und Verwandte gibt es auch nicht, nur Bekannte, und die bittet man bei so etwas ja nicht unbedingt um Unterstützung. Ich war froh, dass ich diese Möglichkeit hatte.«
»Sie haben die Ausbildung in Meckenheim gemacht?«, fragte er und warf einen raschen Seitenblick auf Landhäuser. »Ich dachte, die Ausbildung wird nur in Wiesbaden angeboten.«
»Ja. Die meisten Lehrgänge laufen mittlerweile über das Internet, und da ist es beinahe schon egal, wo man gerade ist.«
Davídsson hielt an der nächsten Ampel. Vor ihnen wartete eine Citroën DS . Er dachte an seinen Urlaub in Südfrankreich und seine schwarze Göttin, die bald zur Abholung bereitstehen würde.
»Sie gehören zu den Gründungsvätern des deutschen Profilings. Ich habe Kurse auf der Basis Ihrer Arbeit und den daraus gewonnenen Erkenntnissen belegt.«
»Gründungsväter. Das hört sich ein bisschen nach Altertum an.«
»Ja, vielleicht, aber so wurde es uns bei der Ausbildung nun mal beigebracht.« Lilian Landhäuser musterte sein Profil.
»Sie brauchen sich darüber aber keine Sorgen zu machen. So alt, wie sich das anhört, sind Sie ja noch nicht.«
Davídsson beschleunigte den Wagen.
Der Lech lag jetzt rechts neben ihnen hinter einem grünen Waldstreifen verborgen. Die Laubbäume wogten in der Dunkelheit und es sah beinahe so aus, als würden sie jeden Moment auf die Berliner Allee springen, auf der sie gerade fuhren.
»Was ist aus Ihrem Vater geworden?«
»Er ist gestorben, ein Jahr, nachdem ich die Ausbildung begonnen hatte.«
Ólafur Davídsson warf einen kurzen Blick über die Windschutzscheibe zur Beifahrerseite. »Und wie sind Sie damit fertig geworden?«
»Gar nicht. Ich habe einfach weitergemacht …« Ihre Stimme wirkte plötzlich dumpf. Er sah, dass ihr Gesicht nur wenige Zentimeter vom Seitenfenster entfernt war.
»Das tut mir leid.«
Sie sah kurz zu ihm hinüber und Davídsson stellte beruhigt fest, dass sie keine Tränen in den Augen hatte.
»Ich habe eine Idee, wie wir etwas über die Vergangenheit von Frau Aigner herausfinden können.«
»Ja?«
»Ja. Bisher kennen wir quasi nur ihren Namen. Die Akte vom Sozialamt gibt nichts her, die Nachbarn wissen nichts, die Fuggerei-Administration auch nicht, und in der Wohnung gab es keine persönlichen Unterlagen über das Opfer. Diese Merkwürdigkeit ist vielleicht ein Indiz für die Vergangenheit des Opfers, und damit führt sie uns unter Umständen zum Täter.«
Davídsson überholte einen LKW, dessen Abgase langsam das Wageninnere erreicht hatten. »So war mein ›ja‹ eben nicht gemeint. Was ist das für eine Idee?« Er öffnete für einige Sekunden das Seitenfenster. Kühle Luft strömte in den Chrysler und er hatte das Gefühl, endlich wieder atmen zu können .
»Ach so. Gut. Ich habe mir überlegt, dass uns ihre Beerdigung weiterhelfen könnte.«
»Ich verstehe nicht ganz.«
Landhäuser schien einen Augenblick nachzudenken. »Ja, stimmt. Entschuldigung. Die Idee stammt von einem Ihrer Kollegen und nicht aus Ihren Lehrbüchern. In den USA hat man das wohl schon öfter gemacht, dass man eine Beerdigung eines Unbekannten öffentlich inszeniert hat, um zu sehen, wer um die Person trauert.«
»Die meisten amerikanischen Grundlagen der criminal investigative analysis, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren entwickelt worden sind, können in Deutschland nicht angewendet werden. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind auf die deutschen Verhältnisse nicht eins zu eins übertragbar. Das ist das Problem.«
»Ja, ich weiß. Ich kenne Ihre Abhandlungen zur Fokussierung auf die selektiven Stichproben.«
Landhäuser schwieg einen Moment und Davídsson ärgerte sich darüber, dass sie so häufig darauf anspielte, dass er die Fallanalyse in Deutschland aufgebaut hatte.
Er brauchte
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