Herbstwald
Sparrenlech geworfen worden wäre«, schlussfolgerte Davídsson.
»Ja. Wenn er sich nicht gerade im Schwimmbalken beim Heizkraftwerk verfangen hätte.«
»Können wir das durch eine Obduktion herausfinden?«, fragte Ólafur Davídsson an Hofbauer gewandt.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wir können aber mit Sicherheit feststellen, wie lange der Hund schon im Wasser war.«
Ein uniformierter Polizist winkte Kriminalkommissar Schedl zu sich. Er stand mit den Männern vom Werkschutz neben der Pfütze und hielt sich das Funkgerät ans Ohr.
»Irgendwie habe ich heute Lust auf Ente süßsauer«, sagte Schedl, bevor er sich in Bewegung setzte.
So ein Federvieh ist eine willkommene Abwechslung im grauen Alltag eines Beamten, dachte Davídsson. Ein grauer Alltag mit roten Blutspritzern. Jeder braucht ein Ventil, um damit fertig zu werden, und wenn es nur eine einfache Ente ist, die in einer Pfütze stehen bleibt.
»Was wissen wir über das Kraftwerk hier?« Landhäuser warf einen kurzen Blick auf die Ente und dann sah sie Schedl nach, als überlegte sie, ob sie seinen Appetit teilen könnte, nachdem sie den Vogel hier gesehen hatte.
»Das Wasserkraftwerk Stadtbach Augsburg, so ist der offizielle Name für Ihren Bericht, ist 1921 in Betrieb genommen worden und produziert 2,3 Millionen Kilowattstunden pro Jahr mit einer Leistung von 330 Kilowatt«, antwortete Wittmann.
»Danke, aber ich meinte nicht die technischen Daten, sondern eher, ob jemand den Hund hier in den Stadtbach geworfen haben könnte oder ob es fremde Personen gibt, die Zugang zum Gelände haben. Solche Dinge eben.«
»Ach so. Ja, das Kraftwerk kann von unserer Seite aus nicht besichtigt werden. Was Sie auf der anderen Seite des Stadtbachs sehen, gehört nicht mehr zu MAN, sondern der Firma UPM. Aber auch von dort ist das Kraftwerk nicht öffentlich zugänglich.«
»Mhm.«
»Wenn Sie mögen, kann ich Ihnen einen Kontakt zu dem dortigen Leiter der Werkssicherheit vermitteln.«
Landhäuser sah erst Davídsson an und dann wieder Wittmann. »Ja. Ich würde gerne morgen Nachmittag mit ihm sprechen.«
Schedl kam wieder zurück.
»Das ist die Steuermarke von dem Hund, den der Werkschutz hier aus dem Rechen gefischt hat.« Er hielt eine grüne Blechmarke hoch. Das Wappen der Stadt Augsburg glänzte schwach im Scheinwerferlicht. »Die Zahlen hier – 07756 – gehören zu einem Chin, der auf den schönen Namen Pocchi hörte.«
Der Kriminalkommissar steckte die Hundemarke in einen durchsichtigen Plastikbeutel und notierte mit einem Filzstift die Tagebuchnummer des Falls auf der Lasche.
»Eigentümerin des Hundes war laut Register eine gewisse Catharina Aigner.«
»Sehr gut«, sagte Hofbauer.
»Ja, aber das ist noch nicht alles. Ich habe gerade mit dem Leiter des Steueramtes gesprochen. Die Hundesteuer beträgt in Augsburg jährlich 75 Euro für die erste Hundehaltung und für jeden weiteren Hund werden dann 110 Euro erhoben.«
»Und?«
»Hundehalter, die Sozialhilfe beziehen oder diesem Personenkreis gleichgestellt sind, erhalten auf Antrag eine Steuerermäßigung von 50 Prozent.«
»Was bedeutet gleichgestellter Personenkreis?«, fragte Hofbauer.
»Personen wie unser Opfer. Frau Aigner hatte zwar keine Sozialhilfe bezogen, aber sie hätte den gesetzlichen Anspruch darauf gehabt. Sie hat von dieser Regelung mit der Steuerermäßigung jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern immer den vollen Satz gezahlt.«
»Vielleicht wusste sie nichts von dieser Regelung.«
»Der Mann vom Steueramt hat mir versichert, dass sie ein entsprechendes Merkblatt bekommen hat, in dem das steht. Sie hätte nur noch den Antrag ausfüllen müssen, und schon hätte sie nur noch die Hälfte bezahlt.«
»Wenn man bedürftig ist, kommt es auf jeden Cent an«, gab Davídsson zu bedenken. »Dann nimmt man solche Angebote auf jeden Fall an, und vor allem wissen solche Leute immer, wo sie etwas sparen können.«
»Was bedeutet das?«
»Sie war entweder nicht so arm, wie sie die Fuggerei und das Sozialamt glauben machte, oder sie wollte verhindern, dass das überprüft wird.«
»Der Hund sollte auf jeden Fall untersucht werden. Ich will die genaue Todesursache und den Todeszeitpunkt wissen«, sagte Hofbauer.
10
Ó lafur Davídsson stand auf der Brücke hinter der Fuggerei. Die meisten Klappläden der ockerfarbenen Gebäude waren bereits geschlossen. Aus den oberen Etagen fiel schwaches, gelbliches Licht auf das Kopfsteinpflaster.
Er zählte die Fenster, um das Haus zu
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